Applications using RFID
Tilman Dingler, 09.02.2007
1. Einführung
Radio Frequency Identification – kurz RFID – bezeichnet die berührungslose Identifikation von Objekten auf Basis von Radiofrequenzen. Mithilfe sogenannter Transponder geben diese Objekte Informationen über ihre Herkunft, ihre Bestimmung, ihren Status, über ihre Identität an ein Lesegerät weiter. RFID schließt demnach die Lücke zu IT-Systemen, die bisher durch manuelle Dateneingaben überbrückt werden mussten. Erste RFID-Anwendungen wurden bereits während des zweiten Weltkrieges eingesetzt in Flugzeugen zur Freund-Feind-Erkennung gegenüber von Flugabwehrstationen. Im Jahre 1950, mit Markteinführung der allerersten Kreditkarte von Diners Club, welche damals noch aus Karton bestand, begann die Entwicklung der RFID-Technik insbesondere auch durch den rasanten Fortschritt der Halbleitertechnologien begünstigt. 1984 gelang dann der erste Durchbruch kontaktbehafteter Chips mit Einführung der Telefonchipkarte und 1995 endlich setzte die Deutsche Lufthansa AG mit der kontaktlosen Kundenkarte „Frequent-Traveler“ im ID-1-Format neue Maßstäbe in Deutschland. Heute kennt RFID jeder Autofahrer, da die Fernbedienung für die Zentralverriegelung zahlreicher Autos mit dieser Technik funktioniert. Die Anwendungsgebiete dieser kontaktlosen Informationsübertragung sind vielfältig und reichen vom Einsatz in Alltagsleben, Industrie und Landwirtschaft bis hin zur Verwendung in Sport, Medizin und Unterhaltung. Exemplarisch seien vier konkrete Anwendungsgebiete in diesem Artikel herausgegriffen, welche dem Zweck dienen sollen, dem Leser einen Eindruck des enormen Potenzials dieser Technologie und dessen Nutzung zu verschaffen.
2. Anwendungsgebiete
Die große Vielfältigkeit und Flexibilität im Design eines RFID-Systems ermöglichen einen äußerst breiten Einsatz dieser Technologie. So reicht die Leistungsfähigkeit der Transponder angefangen bei kleinen Speichereinheiten wie dem 1-Bit Transponder, welcher vorwiegend zur Diebstahlsicherung in Kaufhäusern eingesetzt wird, bis hin zu leistungsfähigen Systemen mit beschreibbaren Datenspeichern, Mikroprozessoren und einem Chipkarten Betriebssystem (smart-card OS). Je nach Anforderung können die Transpondermodule in verschiedensten Erscheinungsformen zum Einsatz kommen. Angefangen bei wenigen Millimeter großen Disks, injizierbaren Glastranspondern, Smart Labels papierdünne Transponderbauformen als Selbstklebeetikette) und Coil-on-Chips (kleinste auf dem Markt verfügbare RFID-Transponder mit 3mm * 3mm) bis hin zu den bekannten kontaktlosen Chipkarten in Kredit- und Telefonkarten. Viele High-End-Systeme verfügen über komplexe Algorithmen zur Verschlüsselung und Authentifizierung durch integrierte kryptografische Coprozessoren, welche den Einsatz in elektronischen Börsensystemen oder Ticketingsystemen ermöglichen. Letztere Anwendung soll im Folgenden anhand des Einsatzes der RFID-Technologie im öffentlichen Nahverkehr verdeutlicht werden.
2.1. RFID im Nahverkehr
Insbesondere im Segment des ÖNPV (Öffentlicher Personennahverkehr) erfuhr die RFID-Technologie einen enormen Aufschwung durch das vermehrte Ausstellen elektronischer Fahrausweise (AFC = automatic fare collection) in den letzten Jahren. Beweggründe der Einführung sind insbesondere das Einsparen von Ticketautomaten und Verkaufsstellen, deren Unterhaltung bisher ca. 16% des Ticketverkaufspreises ausmachten, sowie eine Reduzierung von Schwarzfahrern [Finken06].
Anfang 1996 wurde das bislang größte elektronische Fahrausweissystem mit kontaktlosen Karten in der 12-Millionen-Metropole Seoul, Südkorea, in Betrieb genommen. „Bus Card“ heißt die vorbezahlte Karte und beinhaltet auf dem Chip ein Guthaben, welches nach Belieben wieder aufgeladen werden kann. Bei Fahrtbeginn wird der Chip gescanned und die Abbuchung erfolgt automatisch. Dabei ist es egal, wo die Person die Karte aufbewahrt. Ob im Geldbeutel oder in der Handtasche, der Chip wird automatisch ausgelesen und unabhängig von der zurückgelegten Strecke jeweils ein einheitlicher Preis abgebucht. Der Verkehrsverbund „Seoul Bus Union“ besitzt eine Flotte von 8700 Bussen, die bereits 1996 vollständig mit kontaktlosen Terminals ausgerüstet waren. Der große Erfolg dieses Systems hat die Stadtregierung Seoul davon überzeugt, ein kompatibles System auch für die U-Bahn einzuführen.
Analog hierzu gibt es an verschiedenen Orten bereits Pilotprojekte, welche eine stationsgenaue Nutzungsabrechnung von Nahverkehrsmitteln implementieren. Die Chipkarten werden hierbei erstmals beim Einstieg in das Verkehrsmittel ausgelesen, die Abbuchung erfolgt daraufhin beim Ausstieg. Dieses Beispiel aus dem Alltag zeigt offensichtliche Vorteile sowohl auf Kundenseite durch eine komfortable Zahlungsmöglichkeit als auch auf Anbieterseite durch ein Einsparen von Verkaufs- und Kontrollstellen. Das nächste Beispiel illustriert einen erfolgreichen RFID-Einsatz in der Industrie.
2.2. RFID im Fertigungsprozess und der Lagerhaltung
Der Trend, Auto-ID-Verfahren einzusetzen, breitet sich besonders in den Lieferketten der Unternehmen aus. Dabei überschreiten RFID-Lösungen meist die Grenzen einzelner Unternehmen und müssen in die umfassenden IT-Systeme integriert werden. Deswegen positionieren sich fast alle IT-Anbieter, egal ob Produkt- oder Dienstleistungsanbieter, zu dem Thema. Im Industriesektor lassen sich zahlreiche Einsatzgebiete der RFID-Technologie finden, insbesondere bezüglich der Automatisierung von Fertigungsprozessen und Lagerhaltungskontrollen. Realität geworden sind RFID-Etiketten z.B. für das Management von Behältern in der Produktionslogistik bei Automobilherstellern sowie für die Kennzeichnung von Paletten und Kartons in der Handelslogistik. Hier haben RFID-Transponder bereits den herkömmlichen Einsatz von Barcodelesern größtenteils verdrängt. Einzelne Bauteile werden während der Fertigung mit Transpondern versehen, welche typspezifische Daten (z.B. Fahrgestellnummer) beinhalten. Dadurch wird auch eine spätere Nachbestellung von Einzelteilen enorm erleichtert. Die hier verwendeten RFID-Systeme kommen sowohl bei der Identifikation, als auch bei der Produktvervolgung im Verarbeitungsprozess zum Einsatz. Für Unternehmen ist es oftmals entscheidend, stets exakt darüber informiert zu sein, wo sich bestimmte Einzelteile oder ganze Paletten befinden und welchen Arbeitsgang diese gerade durchlaufen. An mobilen Regalen in Fertigungs- und Lagerhallen werden beispielsweise daher Transponder befestigt, in die wichtige Daten, wie zum Beispiel die Position des Regals, Produktsorte und Fertigungsstatus geschrieben werden. Somit kann auch der Zeitpunkt der Auslieferung eines Produktes über das RFID-System konsequent verfolgt werden. Lagerhallen sind in der Lage, exakte Bestandskennzahlen zu kommunizieren und sowohl ein- als auch ausgehende Produkte automatisch zu erfassen. Der Einsatz von RFID impliziert also eine enorme Kostenersparnis in der Logistik und entwickelt sich mehr und mehr zu einem Standard, der es Unternehmen ermöglicht, wettbewerbsfähig zu bleiben.
2.3. RFID im Unterhaltungssektor
Ein anderes Anwendungsfeld von RFID-Systemen ist im Videospielesektor zu finden. Aktuelle Trends entfernen sich nach und nach von herkömmlichen Interaktionsmöglichkeiten mit Computern wie z.B. durch die Maus oder Tastatus hin zur Steuerung durch Bewegungen. RFID kann hierbei als Technologie zur Verbindung von phsysischer und virtueller Welt in ubiquitären rechnergesteuerten Umwelten eingesetzt werden. Dies ermöglicht die Realisierung von sogenannten „Real-world-Games“ folgendermaßen:
RFID-Technologien schaffen im Allgemeinen die Grundlage für Computerapplikationen, um Informationen über die umgebende physische Welt zu sammeln und diese in einer virtuellen Welt abzubilden. Somit hat kürzlich eine Forschungsgruppe aus Zürich den ‚Smart Jigsaw Puzzle Assistant’ entworfen [Bohn06]. Dieser kommt verzweifelten Puzzle-spielern zur Hilfe, welche sich im Teilchenchaos komplexer Puzzles zu verlieren glauben. Anstatt also zu versuchen, per Hand jedes einzelne Puzzleteil dem bereits zusammmengefügten Gebilde zuzuführen nach dem Try-and-Error-Prinzip, nutzt der Spieler eine RFID-Antenne als Detektor, welche die markierten Teilchen scanned und zueinander passende Teilchen identifiziert. Nach dem Model eines Geigerzählers bewegt der Spieler den Detektor über restlichen Puzzleteile bis er ein weiteres Teilchen, welches dem Puzzle hinzugefügt werden kann, findet. Alternativ hierzu, kann der Spieler sich auch die Position eines beliebig gewählten Teilchens im Gesamtgefüge auf einem Monitor als Ausgabegerät anzeigen lassen. Jedes Puzzleteilchen beinhaltet also einen Transponder, dessen einzigartige ID vom Detektor ausgelesen werden kann, welcher anhand dieser die Teilchen auseinander halten kann. Dieses Beispiel zeigt, wie RFID-Technologie dazu verwendet werden kann, klassische Spielprinzipien mit innovativen computergestützten Spielerweiterungen versehen werden können. In wie weit diese Technologie die Sinnhaftigkeit und den Spaßfaktor des Spieles unterstreicht, sei dem kritischen Spieler selbst überlassen. Jedoch lassen sich hierdurch auch Grundlagen für gänzlich neuartige Spielkonzepte finden.
2.4. RFID in der Medizin
Die Eigenschaft passiver RFID-Transponder, ohne eigene Spannungsversorgung über Jahre hinweg zuverlässig betrieben werden zu können, prädestiniert diese Technologie für Anwendungen in der Humanmedizin. Mithilfe von Glastranspondern, 12-32mm langen Glasröhrchen, welche unter der Haut des Patienten eingesetzt werden können, lassen sich beispielsweise Langzeituntersuchen am Menschen realisieren. Ein passiver Transponder besitzt keine eigene Spannungsversorgung und wird daher nur aktiv, wenn sich ein dementsprechendes Lesegerät in der Nähe befindet, von dem er seinen Spannungsbedarf durch Induktion bezieht. Die somit erreichte Strahlungsarmut ermöglicht die Nutzung dieser Transponder auf Langzeit am Patienten. Mit dem Transponder gekoppelte Sensoren senden hierbei Daten an diesen, sobald er aktiviert wird, um von dort medizinische Werte an das Lesegerät zurückzusenden. Einsatzgebiete sind Langzeitstudien, aber auch medizinische Überwachung von chronisch kranken Patienten.
3. Entwurf von RFID-Anwendungen
Nachdem nun die beschriebenen Beispiele einen Eindruck von möglichen Anwendungsgebieten vermittelt haben, soll im Folgenden kurz darauf eingegangen werden, mit welchen Design-Überlegungen ein RFID-System für den Einsatz einer bestimmten Anwendung konstruiert werden kann.
Um Anforderungen an ein RFID-System zu identifizieren, sollte zuerst der Kontext der geplanten Anwendung betrachtet werden. Dies beginnt bei der Überlegung, in welcher Umgebung die Anwendung zum Einsatz kommen soll. Hiervon lassen sich Anforderungen an die Verschleißempfindlichkeit an das System ableiten. Umwelteinflüsse wie Witterungsbedingungen wirken sich folglich direkt auf die Wahl des einzusetzenden Transpondermodels aus. Da es sich bei dem Informationsübertragungsmedium um Radiowellen handelt, müssen auch hier im Vorhinein gesetzliche Bestimmungen (bspw. gesperrte Frequenzbänder, SAR-Werte) in Betracht gezogen, sowie mögliche elektromagnetische Störfelder erkannt werden. Je nach dem, in welcher Reichweite ein Transponder ansprechbar sein soll, wird zwischen drei Klassifizierungen unterschieden: Dem close-coupling für eine sehr geringe Entfernung von 0 – 1 cm. Bei Entfernungen zwischen 0 und einem Meter spricht man von einem Remote-coupling-system, wohingegen ein Longrange-System eine Reichweite von mehreren Metern ermöglicht.
Anwendungen, welche gewisse Sicherheitsanforderungen mit sich bringen – wie das genannte Anwendungsbeispiel von RFID im Nahverkehr – setzen einen Transponder mit Authentifizierungsfunktion voraus. Je nach dem, wie komplex dieser Vorgang der Authentifizierung realisiert werden soll, wird der Einsatz eines Coprozessors im Transponder notwendig oder nicht. Zur verschlüsselten Datenübertragung von Transponder zu Lesegerät und umgekehrt können kryptografische Verfahren und Algorithmen zum Einsatz kommen, welche wiederum Rechenressourcen auf den Geräten voraussetzen.
Ebenfalls ein wichtiger Faktor, der in die Vorab-Überlegungen miteinbezogen werden sollte, ist die Frage nach der Speicherkapazität. Die Entscheidung diesbezüglich bestimmt die Chipgröße des Datenträgers und somit insbesondere auch die Preisklasse. Für preissensitive Massenanwendungen mit geringem Informationsbedarf vor Ort werden deshalb festcodierte Read-only-Datenträger eingesetzt. Damit kann jedoch nur die Identität eines Ojekts definiert werden. Sollen anfallende Daten dahingegen auf den Transponder zurückgeschrieben werden, benötigt man Transponder mit EEPROM- oder RAM-Speichertechnologie.
Verschiedene Ausprägungen der genannten Faktoren bestimmen maßgeblich die Tauglichkeit eines RFID-Systems innerhalb eines konkreten Anwendungsumfeldes. Zur Verdeutlichung sei hier nur auf die elektronische Artikelsicherung (EAS) verwiesen, welche in Kaufhäusern eingesetzt wird. Da es sich um eine riesige Menge von Waren handelt, liegt der Fokus offensichtlich auf einer möglichst preisgünstigen Realisierung des Systems. Zum Einsatz in diesem Fall kommen folglich die bereits erwähnten 1-Bit-Transpondern, welche nur eine einzige Information speichern können. Nämlich die, ob sie aktiv sind (1) oder nicht (0). Der Transponder wird dann bei Bezahlung der Ware deaktiviert oder in vielen Fällen auch zerstört. Geschieht dies nicht, erkennt das Lesegerät am Geschäftsausgang den noch aktiven Transponder und schlägt Alarm.
4. Ausblick
Mögliche Einsatzgebiete für kontaktlose Identifikationssysteme haben sich in letzten Jahren vervielfacht. Die stetige Weiterentwicklung der RFID-Technologie erschließt immer breitere Anwendungsgebiete. Die genannten Beispiele sollten einen kleinen Einblick gegeben haben in das Potenzial, welches in dieser Technologie steckt. Angefangen bei einer stückgenauen Abrechnung von Diensten und Produkten im Handelssektor, über die Qualitätskontrolle bei Fertigungsprozessen bis hin zur Garantie von System- und Datensicherheit durch transponderinterne Verschlüsselungsverfahren. Die Chips enthalten nicht nur mehr gespeicherte Informationen, sondern inzwischen eigene Prozessoren, welche durch die rasante Entwicklung der Halbleiterindustrie zunehmend ihre Leistungsfähigkeit ausbauen. Dadurch wird ein Grad der Flexibilität von RFID-Systemen geschaffen, welcher es in Zukunft erlauben wird, immer komplexere und anpassbarere Systeme zu entwickeln.
Ein Thema aus der aktuellen Diskussion ist die Einführung des biometrischen Reisepasses. Kontaktlose Personenidentifizierung, das Auslesen personenbezogener Informationen aus größeren Entfernungen stellen einen Sicherheitsgewinn bspw. an Flughäfen dar, lassen jedoch laute Protestrufe aus den Reihen von Datenschützern aufkommen. Der Grund für das Unbehagen liegt in der Möglichkeit des unberechtigten und vor allem unbemerkten Auslesens der Chips: Persönliche Daten könnten plötzlich genauso transparent werden wie die persönliche Geldbörse. Die Frage, ob und in welcher Form zusätzliche verbraucher- bzw. datenschutzrechtliche Regelungen durch den breiteren Einsatz von RFID-Systemen erforderlich sind, rückt zunehmend in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte (Stichwort „gläserner Kunde“ bzw. „gläserner Bürger“) [BundSi06]. Die Nutzung von RFID-Daten sollte unter klaren Regularien für IT-Sicherheit sowie Verbraucher- und Datenschutz erfolgen. Es bestehen begründete Ängste der Verbraucher vor einer generellen Transparenz ihres Verhaltens. Diese bedenken können zu Konflikten führen, deren Lösung eine Einschränkung der Systeme zur Folge hat. Aufgeregte Diskussionen zum Verbraucherschutz hat es auch gegeben, als sich die Mobiltelefonnetze ausbreiteten. „Heute scheut kaum noch ein Konsument davor zurück, sein Mobiltelefon ständig bei sich zu tragen, obwohl bekannt ist, dass damit ein recht genaues Tracking und Tracing seiner Bewegungen möglich ist“ [Bitkom06].
Literatur
[Bitkom06] : Bitkom Projektgruppe RFID.RFID-Guide 2006.
[Bohn06] : Jürgen Bohn. The Smart Jigsaw Puzzle Assistant: Using RFID Technology for Building Augmented Real-World Games. ETH Zurich, Switzerland. 2004
[BundSi06] : Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Risiken und Chancen des Einsatzes von RFID-Systemen. SecuMedia Verlags-GmbH. 2004
[Finken06] : Klaus Finkenzeller. RFID Handbook: Fundamentals and Applications in Contactless Smart Cards and Identification. Hanser. 3rd edition. 2006