In-Car User Interfaces
Kristijan Simic
Abstract
Der Text versucht dem Leser einen kurzen Überblick über das Thema "In-Car User Interfaces" zu vermitteln. Dabei werden zuerst wichtige Aspekte von In-Car Interfaces betrachtet und dann mit Beispielen konkretisiert. Kernaussagen des Textes sind Primär- und Sekundärinteraktion während dem Autofahren und haptische sowie gestenbasierte Möglichkeiten mit dem Auto Informationen auszutauschen. Durch das MYCAREVENT Forschungsprojekt wird ein konkretes Beispiel gebracht, wie heutige Kraftfahrzeuge mit moderner Technik im sinnvollen Maße angereichert werden können.
1. Einführung
Die Anzahl an elektronischen Geräten in heutigen mittelklasse Wägen ist im Vergleich zur Automobilproduktion von vor 10 Jahren drastisch gestiegen. Während der eigentlichen Aufgabe das Auto sicher über die Strasse zu manövrieren, müssen sich Fahrer heutzutage außerdem mit einer Vielzahl anderer Dinge auseinandersetzen. So wird während des Fahrens also das Radio bedient, ein neues Navigationsziel eingegeben, die Klimaanlage eingestellt oder vielleicht sogar per Handyfreisprechanlage zu Hause angerufen. Wie mit den einzelnen Geräten interagiert wird bzw. wie überhaupt mit den Geräten interagiert werden kann, definieren die jeweiligen Interfaces der Geräte. Ein Interface gibt also an wie der Benutzer mit dem System des Gerätes interagieren kann und welche Schritte es braucht, um bestimmte Funktionen anzusprechen oder eine Aufgabe zu lösen. Ein vorstellbares Szenario wäre etwa die Eingabe eines neuen Navigationsziels in das Navigationssystem: Der Benutzer tippt den Namen des Ziels, die Postleitzahl, das Land und die Art und Weise der Wegfindung in den Bordcomputer ein. Das Gerät übernimmt dann die Routenplanung und die Aussprache der Fahrtanweisungen. Unter welchen Umständen dies passiert wurde hier allerdings nicht berücksichtigt. So kann die Eingabe zum Beispiel während der Fahrt auf der Autobahn geschehen, in einer Situation bei der sich der Fahrer eigentlich voll auf die Straße konzentrieren sollte. Ist dem Navigationssystem eine Eingabe nicht verständlich, wird es Rückfragen stellen und somit wieder die Aufmerksamkeit des Fahrers von der Straße weg auf das Display lenken. Offensichtlich spielt die Interaktion mit den In-Car User Interfaces während dem Autofahren eine eher untergeordnete Rolle.
2. Primäre und sekundäre Interaktionsprozesse
Normalerweise kann der Benutzer eines Interface seine Aufmerksamkeit voll und ganz dem Erfüllen von Aufgaben und dem Interface selbst widmen. So vorzufinden ist dies etwa beim Desktop PC, der durch Maus und Tastatur vom Benutzer bedient wird. Nur wenige externe oder interne Faktoren beeinflussen dabei den Benutzer oder lassen seinen Fokus auf nebensächliche Ablenkungen wandern. Überträgt man diesen Sachverhalt auf die Autofahrt wird schnell klar, dass das Hauptinterface des Wagens vor allem die Peripherie zur sicheren Steuerung im alltäglichen Verkehr darstellt (Lenkrad, Bremse, Gaspedal, Kupplung und Ganghebel). Alle anderen Aufgaben während des Aufenthalts im Wagen sind somit nur nebenläufig. Die Priorität liegt ganz klar auf der sicheren Handhabung des Autos. In der Fachliteratur [1] wird dabei oft von primären und sekundären Interaktionsprozessen gesprochen. Hat man diese Unterteilung vollzogen muss man sich klar machen, dass nun für das Design neuer In-Car User Interfaces wenige Ressourcen zur Verfügung stehen. Beide Füße werden während des Fahrens strikt dem Auto zugeordnet. Beide Hände sollten sich am Lenkrad des Wagens befinden, obwohl man zwar auch mit einer Hand fahren kann, dies jedoch von den Aufsichtsbehörden nicht gern gesehen wird und man davon aus Sicherheitsgründen abrät. Beide Augen werden zur ständigen Synchronisation des Wagens mit der Außenwelt und dem Innenraum der Fahrerkapsel benutzt. Man kann zwar kurz mit den Augen abweichen, befindet sich der Wagen jedoch erst in Bewegung bleibt wenig Zeit irgendetwas anders zu betrachten, als die Straße. Somit hat jeder mitteleuropäische Autofahrer nur die rechte Hand, einen kurzer Blick und die Sprache als Interaktionsmöglichkeit mit Interfaces zur Verfügung.
3. Tests und Ergebnisse
Anhand dieser Feststellungen wurden entsprechende Versuche durchgeführt. Die Testpersonen befinden sich dabei immer in einer Steuerkapsel die 1:1 der eines Autos nachempfunden wurde. Neue Interfaces werden dabei stets in der Mittelkonsole oder im Bereich des Schalthebels untergebracht. So wurde an der TU München ein Versuch namens INTERMODAL DIFFERENCES IN DISTRACTION EFFECTS WHILE CONTROLLING AUTOMOTIVE USER INTERFACES von Michael Geiger, Martin Zobl, Klaus Bengler und Manfred Lang [2] durchgeführt, in dem man untersucht hat wie hoch das Maß der Ablenkung für den Fahrer während des Fahrens durch die Bedienung von In-Car User Interfaces ist. Hierbei wurde in der Höhe des Radios ein Display mit eingebauter Kamera angebracht, um Gesten der Testpersonen während der Simulation zu erkennen und zu interpretieren. Neben dem Schalthebel wurde eine mit Knöpfen bedienbare Konsole installiert. Beide Eingabegeräte dienten dabei jeweils für einfache Selektionsvorgänge im täglichen Autogebraucht (Selektieren, lauter bzw. leiser stellen, Funktionsaufrufe). So wurde mit dem direkten Zeigen auf den Bildschirm selektiert, mit einer Bewegung nach oben die Lautstärke erhöht mit einer Bewegung nach unten die Lautstärke verringert und per Formen von Symbolen mit der Hand Funktionen gewählt (z.B. das symbolische Formen eines Telefonhörers mit der Hand wurde als Telefon erkannt). Jede dieser Möglichkeiten konnte man jedoch auch mit den Knöpfen der dafür angebrachten Steuerkonsole durchführen. Es wurden effektiv also haptische vs. gestenbasierte Interaktionsmöglichkeiten verglichen. Ein über dem Auto angebrachter Projektor, zeigte an der sich direkt vor dem Auto befindlichen Wand zwei Marker an. Hier musste mit dem Lenkrad der untere Marker stets den oberen decken und es wurde eine Art Fahrverhalten simuliert. Letztlich mussten die Testpersonen während des Steuerns mit dem Lenkrad auch noch ihnen aufgetragene Aufgaben lösen. Diese wurden einmal haptisch und einmal gestenbasiert an den Bordcomputer weitergegeben und liefen zeitlich gesehen gleichzeitig mit der Steuerung des Wagens ab. Nach der Messung von Abweichungen und Fehlern bei der Steuerung des Wagens und der für die Bedienung des Bordcomputers gebrauchten Zeit mit der jeweiligen Interaktionsmethode wurde festgestellt, dass gestenbasierte Interaktion mit In-Car User Interfaces zu weniger Ablenkung des Fahrers führt, also die Bedienung mit Knöpfen und Reglern klar im Nachteil ist. Obwohl dieser Versuch recht klein und unspektakulär durchgeführt wurde konnte man sofort sehen, dass neue Arten der Interaktion mit den elektrischen Komponenten der In-Car User Interfaces besser zurecht kommen und bessere und natürlichere Steuerung bieten als die herkömmlichen Alternativen. Mit dem Ausnutzen neuer Techniken im Design und der Implementierung zukünftiger Fahrzeugbedienkomponenten könnte man den alltäglichen Straßenverkehr noch sicherer und besser gestalten. Auch erhöhen diese Ansätze Absatzchancen für die Autohersteller, da nun zum Beispiel auch ältere Leute einfacher mit der Bordelektronik interagieren können und somit den Kauf eines Neuwagens vielleicht in Erwägung ziehen.
4. Beispiel aus der Praxis: MYCAREVENT
Das Dokument Interactive Systems on the Road: Development of Vehicle User Interfaces for Failure Assistance [3] von Geert Houben, Jan Van den Bergh, Kris Luyten und Karin der Coninx Limburgs Universität beschreibt ein europäisches Forschungsprojekt namens MYCAREVNET. Da heutzutage Geräte wie Mobiltelefone und Personal Data Assistants (PDAs) immer mehr Einfluss auf unser Leben nehmen, haben die Autoren dieses Dokuments ein System entwickelt das dem Fahrer während der Autofahrt helfen kann, Pannen zu vermeiden oder mit diesen umzugehen. Dabei wird das Auto mit einem Onboard Diagnosis Device (ODB) ausgestattet, das mit der Elektronik des Wagens kommunizieren kann und dem Fahrer Informationen liefert, wo und was im Moment der Panne gerade nicht in Ordnung war. Dieses ODB wird durch eine Funkverbindung mit einem PDA synchronisiert. Auf dem PDA selbst läuft eine Software die gesammelte Daten grafisch darstellen kann, Anleitungen zur Reparatur sucht und mit dem entfernten Pannenservice kommunizieren kann um schnell Hilfe anzubieten. Weiter wird im Text beschrieben, dass die Software auf dem PDA folgenden softwaretechnischen Kriterien entsprechen muss:
- Robustheit
- Korrektheit in allen Möglichen Situationen
- Context-Awareness
Gerade Robustheit und Korrektheit der Anwendung in allen möglichen Situationen sollten einleuchtende Kriterien sein. Wurde zuvor doch von sekundären und primären Interaktionsprozessen gesprochen, die dem Fahrer nicht allzu große Freiräume für Interaktion während der Autofahrt bieten. Context-Awareness stellt jedoch für diese Art von Software eine neue Herausforderung dar: Die Fahrer wissen meist nicht über die technischen Details ihres Wagens bescheid, so müssen die gesammelten Sensorinformationen des Autos mit Reparaturanleitungen klar dargestellt werden und dem tatsächlichem Problem auch entsprechen. Ansonsten könnte der Fahrer sogar Gefahr laufen, noch mehr am Auto zu zerstören als ohnehin schon kaputt ist. Dieses spezielle In-Car User Interface zeigt sehr deutlich die Herausforderungen mit denen sich Entwickler solcher Systeme konfrontiert finden. Der normale Verlauf dieses In-Car User Interfaces sieht demnach so aus: Das ODB prüft durch Sensoren die mit der Elektronik des Wagens gekuppelt sind ständig, ob alle Systeme normal arbeiten. Registrieren die Sensoren eine Fehlfunktion, holt das ODB alle möglichen Informationen zu diesem Zeitpunkt und bereitet sie entsprechend auf. Nach diesem Schritt wird das PDA des Fahrers mit den Daten synchronisiert. Da das ODB selbst ausfallen könnte, ist das PDA auch auf eine Fehlerbeschreibung des Fahrers angewiesen. Sind beide Daten in den PDA eingegeben, wird die sich lokal in Ausführung befindliche Software mit den Daten gefüttert und versucht anhand der Beschreibung eine Diagnose mit einer Reparaturanleitung zu stellen. Stellt der Fahrer fest, auch anhand dieser Details die Reparatur nicht manuell durchführen zu können, kommuniziert das PDA mit dem Pannenservice. Es wird also eine telefonische Verbindung hergestellt und versucht, mit Anweisungen eines Experten den Fehler zu beheben. Ist auch dies nicht möglich ruft das PDA schlussendlich eine mobile Fachkraft, die den Schaden dann vor Ort behebt. Die dabei zum Einsatz kommenden technischen Geräte sind keinesfalls neuartige Entwicklungen. Sie wurden nur durch den Gedanken ein flexibles In-Car User Interface umzusetzen in einer sinnvollen Weise kombiniert und stellten danach eine sehr innovative und schöne Lösung für ein bekanntes Autoproblem dar. Das System befindet sich bereits in der Feldstudie und einige namhafte Autohersteller haben bereits Interesse angekündigt. Der einzige Kritikpunkt dieses Projekts wäre die Sichtweise des problemlösenden Autofahrers. Die meisten Fahrer benutzen zwar Mobiltelefone und PDAs, kennen sich jedoch mit der Technik ihres Wagens kaum aus. Hinzu kommt das der Failure Assistance Service vielleicht nur durch anfallende Gebühren erhältlich sein wird. Dieser Sachverhalt lässt zweifeln, ob bei marktreife des Produkts wirklich potentielle Käufer gefunden werden könnten.
5. Zusammenfassung und Ausblick
Diese kurze Ausarbeitung verdeutlicht bereits wie umfassend das Thema der In-Car User Interfaces ist. Will man einen kompletten Überblick darüber geben, müsste man zuerst aus psychologischer Sicht beginnen: Welche Prozesse spielen sich im Kopf des Autofahrers während der Fahrt ab? Wie reagiert er auf externe bzw. interne Reize? Welche Ressourcen, sprich körperliche Funktionen kann er auf andere Aufgaben umleiten? In Zusammenhang damit wurde von sekundären und primären Interaktionsprozessen gesprochen und wie sehr man im Design von In-Car User Interfaces auf Prioritäten, das Autofahren betreffend, achten muss. Die zwei Beispiele unter Punkt 3 und 4 zeigen zum einen eine empirische Studie sowie ein Beispiel aus der Praxis. Die Studie belegt, dass traditionellen In-Car User Interfaces (z.B. ein Radio das mit Knöpfen bedient wird) mit Sicherheit in naher Zukunft ein heftiger Schlag versetzt wird: Neue Arten der Interaktion vereinfachen bisherige Interaktionsmuster und machen den alltäglichen Gebrauch des Autos sicherer und einfacher. Das MYCAREVENT System zeigt, wie die Benutzung eines jeden Autos mit moderner Technik angereichert werden kann und wie man im Falle des "Failure Assistent" - Systems In-Car User Interfaces spezifizieren kann die zum einen sicher, robust und kontextsensitiv sind - zum anderen den Alltag des Fahrers auf nützliche Art und Weise anreichern. Ohne weiter zu zögern kann man somit sagen, dass das Thema der In-Car User Interfaces erst in den Kinderschuhen steckt. Zwar sind die elektrischen Geräte in heutigen Wagen sehr weit entwickelt und zumeist auch ausfallssicher, jedoch bedient man auch das teuerste Navigationssystem per Knopfdruck und nur sehr umständlich. Hier bleibt also Platz für Weiterentwicklung: Neue Interaktionsmöglichkeiten müssen mit diesen Systemen verbunden werden. Sprachsteuerung für die Zieleingabe und die Routenplanung, Gestenerkennung für die Steuerung von Mobiltelefonen und Analyse der Blickrichtung des Fahrers für Bereitschaftsprüfung sind da nur einige Beispiele von vielen, die auf ihre Umsetzung warten.
Literatur
[1] Alpern, M. "&" Minardo, K. (2003) Developing a Car Gesture Interface For Use as a Secondary Task, New Horizons CHI 2003, Ft. Lauderdale April, 932-933
[2] Geiger, M. ; Zobl, M. ; Bengler, K. "&" Lang, M.: Intermodal Differences in Distraction Effects while Controlling Automotive User Interfaces. In: Proceedings of HCII 2001: 9th International Conference
[3] G. Houben, J. V. den Bergh, K. Luyten, and K. Coninx. Interactive Systems on the Road: Development of Vehicle User Interfaces for Failure Assistance. In Proceedings of First Workshop on Wireless Vehicular Communications and Services for Breakdown Support and Car Maintenance (W-CarsCare), pages 84-89, Nicosia, Cyprus, April 2005. European Wireless 2005