Wearable Interfaces / Wearable Computing
von Felix Lauber im WS 06/07 für die Lehrveranstaltung Mensch-Maschine-Interaktion 1
- 1. Einleitung
- 2. Wearable Computing - Definition
- 3. Wearablitiy
- 4. Die Geschichte des Wearable Computings
- 5. Herausforderungen und Ausblick
- 6. Referenzen
1. Einleitung
Wearable Computing ist ein Teilgebiet der Informatik und im speziellen der Mensch-Maschine-Interaktion, welches immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der Hauptgrund hierfür ist wohl in der rasanten Entwicklung der Computer-Hardware zu sehen. Durch neue Technologien werden die Bauteile immer kleiner und leistungsfähiger und somit auch mobiler.Bei der Benutzung eines Wearables ist nicht mehr, wie etwa bei anderen tragbaren Computersystemen wie Laptops oder PDAs, die Benutzung des Computers selbst Haupttätigkeit des Trägers, sondern eine durch den Computer unterstützte Tätigkeit in der realen Welt. Dadurch ist eine ganz neue Dimension der Gattung "tragbare Computersysteme" entstanden.
Waren vor nicht allzu langer Zeit wirkliche Wearable-Computer-Systeme, insbesondere jene aus dem Bereich der "Augmented Reality", noch Bestandteil von Science-Fiction-Visionen, so haben heute bereits viele Produkte Marktreife erlangt und werden vielfältig eingesetzt.
Diese Arbeit soll, nachdem zunächst versucht wird, eine genaue Begriffsdefinition zu liefern und die wichtigsten Eigenschaften eines Wearables zusammenzufassen, einen kurzen Überblick über die historische Entwicklung dieses Forschungsgebietes liefern, sowie beispielhaft einige Anwendungen von Wearable-Systemen darstellen.
2. Wearable Computing - Definition
Doch was verbirgt sich hinter der Bezeichnung "Wearable Computing" eigentlich genau? Eine Versuch hierfür eine Definition zu liefern macht Steve Mann der Universität Toronto auf der ersten Internationalen Konferenz über Wearable Computing (ICWC 98):"Wearable computing facilitates a new form of human--computer interaction comprising a small body--worn computer (e.g. user--programmable device) that is always on and always ready and accessible. In this regard, the new computational framework differs from that of hand held devices, laptop computers and personal digital assistants (PDAs). The ``always ready'' capability leads to a new form of synergy between human and computer, characterized by long-term adaptation through constancy of user--interface."
Mann verfeinert diese Definition, indem er die drei möglichen Betriebsarten eines Wearables und sechs grundlegende Eigenschaften/Konzepte aufführt. Die drei Betriebsarten sind im Einzelnen:
- Constancy: Das Wearable-System ist ständig in Betrieb. Es kann sich zwar in einer Art Standby-Modus befinden, ist aber niemals komplett ausgeschaltet. Es wird demnach auch nicht durch den Benutzer explizit aus- oder eingeschaltet, sondern es besteht ein ständiger Signalfluss zwischen System und Benutzer um den User bei Bedarf zu unterstützen.
- Augmentation: Die Benutzung des Systems selbst ist nicht, wie im traditionellen Verständnis von Computerbenutzung die primäre Aufgabe des Users. Vielmehr soll das System den Benutzer ohne dessen Zutun bei einer Aufgabe unterstützen und zwar ohne ihn dabei in irgendeiner Weise einzuschränken oder seine Aufmerksamkeit zu verlangen.
- Mediation: Das Wearable-System umschließt den Benutzer ähnlich einer Blase und schafft ihm eine eigene kleine Umgebung, in der der User beziehungsweise das System bestimmt, was sie verlassen oder in sie eindringen darf. Diese zwei verschiedenen Arten der Einkapselung werden nochmals genauer erläutert.
- Solitude: Das Wearable-System fungiert als eine Art Filter. Es blendet gezielt unerwünschte Eindrücke oder Effekte unserer Umwelt aus, um unsere Rezeption in einer von uns gewünschten Art zu verändern.
- Privacy: Im Gegensatz dazu kann das System aber auch im genau umgekehrten Sinne arbeiten; es verhindert hierbei das unerwünschte nach außen treten von Information. Durch die enge Verbundenheit zwischen Mensch und Computersystem kann eine neue Kategorie von Privatsphäre erreicht werden.
Die sechs Grundkonzepte des Wearable Computings werden im Folgenden aus der Sicht des Benutzers aufgeführt.
- Unmonopolizing: Durch die Benutzung des Wearable-Systems wird keine vollkommen neue Umgebung geschaffen wie zum Beispiel in einer Virtual-Reality-Simulation. Es findet also keine vollständige Trennung zwischen User und Umwelt statt, so dass der Benutzer immer noch mit seiner wirklichen Umgebung interagieren kann. Der primäre Fokus des Benutzers liegt also auch nicht auf den durch das System vermittelten Eindrücken, sondern eindeutig auf der von ihm ausgeübten Tätigkeit beziehungsweise seiner wirklichen Umwelt.
- Unrestrictive: Das Wearable-System behindert den User nicht bei der Ausübung irgendwelcher Tätigkeiten. Vielmehr sollte es eine wirkliche Erweiterung und Verbesserung der Benutzerfähigkeiten darstellen , während es optimalerweise von diesem überhaupt nicht bewusst wahrgenommen wird.
- Observable: Der Zugang und die Inanspruchnahme zu den von dem System bereitgestellten Diensten ist zu jedem Zeitpunkt möglich.
- Controllable: Eine optimale Kontrollierbarkeit und Bedienbarkeit des Systems ist zu jedem Zeitpunkt gewährleistet. Selbst automatische Prozesse können vom Benutzer stets abgebrochen und beeinflusst werden.
- Attentive: Durch die ständige multisensorische Wahrnehmung der Umgebung durch das System wird letztlich ein optimal situationsangepasstes Verhalten des Users ermöglicht.
- Communicative: Das Wearable kann als Kommunikationshilfe dienen. Die geschieht entweder durch Unterstützung eines direkten Kommunikationsprozesses mit Anderen, oder als Produktionsunterstützung für mediale Erzeugnisse.
Der Hauptunterschied zwischen einem Wearable-System und einem herkömmlichen Personal Computer besteht also in seiner - vom Benutzer weitgehend unbemerkten - Portablilität. Dies und die Tatsache, dass das Wearable-System nie wirklich abgeschaltet ist, sondern seinen Dienst ständig und ohne die Haupt-Aufmerksamkeit des Benutzers auf sich zu lenken, verrichtet, grenzt den Wearable-Computer vollständig sogar von tragbaren Geräten wie Notebooks ab.
Dies stellt eine ganz neue Form der Mensch-Maschine-Interaktion dar, in der der Mensch nicht mehr den Computer als bloßes Speichermedium verwendet und lokal und temporal eng abgesteckte Aufgaben bearbeiten lässt. Die Hauptaktivität beim Zusammenwirken zwischen Mensch und Computer verschiebt sich also dahingehend, dass der Mensch Information erhält, die er nicht explizit angefordert hat, sondern die Teil eines viel weiter gesteckten Tasks sind. Er wird also bei Tätigkeiten unterstützt, die nicht mehr zwangsläufig etwas mit mit der Arbeit an einem Computer zu tun haben beziehungsweise ohne mit dem Computer explizit arbeiten zu müssen.
3. Wearablitiy
Einer der wichtigsten Eigenschaften eines Wearable-Computer-Systems ist - wie oben schon angedeutet - seine nahezu uneingeschränkte und auch für den Benutzer uneinschränkende Tragbarkeit. Dies ist eine nicht triviale Anforderung an die Designer eines Wearables, da der menschliche Körper sich durch ein hohes Maß an Flexibilität und Bewegung auszeichnet. Diese Anforderungen versuchen Francine Gemperle und John Stivoric der Universität Pittsburgh mit einer umfassenden Studie zu spezifizieren und zu konkretisieren.
Hierzu formulieren sie einen Katalog von insgesamt dreizehn Anforderungen und Richtlinien:- Zunächst einmal ist die Platzierung am Körper selbst von Bedeutung. Hier stellen sie als wichtige Kriterien heraus, dass der Platzierungs-Ort bei allen Erwachsenen relativ gleich beschaffen sein sollte, dass eine vergleichbar große Oberfläche vorhanden ist und zuletzt, dass die Anbringungsstelle sich - selbst beim sich bewegenden Körper - minimal mitbewegt.
- Für die Form eines System-Bausteins stellen sie fest, dass eine möglichst Menschenfreundliche Formgebung wichtig ist. Darunter verstehen sie, eine anschmiegsame konkave Form auf der dem Menschen zugewandten Seite um optimal auf menschliche Körperformen zu reagieren. Auf der Außenseite ist eine konvexe, abweisende Formgebung sinnvoll um den Baustein bestmöglich vor äußeren Einflüssen zu schützen. Nun muss noch auf eine Abrundung der Kanten und abstehenden Elemente geachtet werden um ein maximales Maß an Sicherheit für den Menschen und den Baustein zu gewährleisten.
- Um ein optimales Maß an Beweglichkeit zu erreichen, gibt es ihrer Meinung nach zwei Möglichkeiten: Entweder man integriert die gleichen Bewegungsmöglichkeiten in den Baustein, wie der darunter liegende Teil des Menschen hat, oder man schafft Platz in den sich der entsprechende Körperteil "hineinbewegen" kann. Beide Design-Paradigmen erfordern jedoch eine vorherige, umfassende Analyse der Bewegungsmöglichkeiten des Körpers.
- Ein weiterer wichtiger Punkt ist auf die räumliche Selbstwahrnehmung des Menschen zu reagieren. Da der Mensch nur einen begrenzten Teil des ihn umgebenden Raumes als "zu ihm gehörig" betrachtet, muss - um einen besseren Synergieeffekt zu erzielen - auf eine geringe Dicke der Komponenten geachtet werden.
- Problematisch ist auch die variable Körpergröße oder -dicke der verschiedenen Individuen. Ein Wearable sollte möglichst vielen Menschen passen und bestenfalls auch auf Größenveränderungen bei einem einzigen Menschen reagieren können. Eine Kombination aus starren mit flexiblen Bauteilen kann eine Lösung hierfür sein.
- Aus diesem Grund und auch wegen einer deutlichen Steigerung des Komforts ist eine eher umschließende, anschmiegende Anbringungsart um den Körper herum einer ein-Punkt-Anbringung vorzuziehen.
- Unter Umständen muss darauf geachtet werden, dass das Innenleben eines Bauteils schon eine gewisse äußere Formgebung fordert.
- Natürlich muss auch bei dem Gewicht des Bauteils auf Minimalität und ausgeglichene Verteilung geachtet werden.
- Da das Wearable auch komfortabel benutzt werden soll, muss hier eine gute Erreichbarkeit durch den Benutzer gewährleistet sein. Hier schlagen die Autoren experimentelle Usability-Studien vor.
- Die eigentliche Interaktionsschnittstelle muss intuitiv und einfach gehalten sein.
- Außerdem muss übermäßige Hitzeentwicklung vermieden werden, da die menschliche Haut sehr empfindlich ist.
- Schließlich muss noch auf geeignete Materialwahl und ein ästhetisches Design geachtet werden.
- Zuletzt sollte das Wearable in seiner Konstruktion so beschaffen sein, dass auch die Benutzung über einen langen Zeitraum insbesondere keine gesundheitlichen Probleme verursacht. Da das Wearable sehr eng am Körper getragen wird, sollten hier bereits im Vorfeld umfangreiche Tests durchgeführt werden.
4. Die Geschichte des Wearable Computings
Hier soll ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Wearable Computings von seinen Anfängen bis jetzt gegeben werden.In der Literatur findet man hier häufig Hinweise auf die Entwicklung der ersten Taschenuhr oder gar der ersten Brille, was aber per Definitionem eigentlich keine Wearable-Computer-Systeme waren. Gemeinsam haben sie lediglich die Tragbarkeit und die dauernde, fast unbemerkte und selbstverständliche Unterstützung des Benutzers bei der Wahrnehmung seiner Umwelt.
Der erste wirkliche Wearable Computer wurde jedoch 1966 von Ed Thorp und Claude Shannon vorgestellt. Es war ein Zigarettenschachtel-großer Kasten, der entwickelt wurde um den User beim Roulette-Spielen zu unterstützen. Durch Button-Betätigung zu bestimmten Zeitpunkten wurde hier die Geschwindigkeit des Roulettes ermittelt und so der Oktant berechnet, in dem die Kugel landen würde.
Im selben Jahr wurde auch das erste "head-mounted display" entwickelt. Das dazugehörige Gerät, welches die Projektion vornehmen sollte, war jedoch noch so schwer und unhandlich, dass es an der Decke über dem Benutzer angebracht werden musste und der Apparatur so den Spitznamen "Damoklesschwert" einbrachte.
Die Weiterentwicklung dieser Technologie und die Neuentwicklung vieler weiterer Wearables hat bis jetzt schon zu einer Reihe von interessanten Produkten geführt. Wurden die Geräte einst der breiten Masse vorenthalten (und zum Beispiel ausschließlich für das Militär entwickelt) kann heute, vor allem begünstigt durch immer billiger werdende Computer-Bausteine und immer breitere Einsatzbereiche auch eine starke Tendenz hin zu Consumer-Produkten festgestellt werden.
Die Produkt-Palette reicht hier von relativ preiswerten, weniger aufwändig konstruierten Erzeugnissen bis hin zu sehr kostspieligen High-Tech-Systemen. Im Folgenden soll anhand dreier Beispiele das derzeitige Angebot an Wearable-Computer-Systemen aufgezeigt werden.
Ein sehr großer Bereich, der wohl auch in den kommenden Jahren für den Consumer-Bereich immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, kann unter dem Schlagwort intelligente Kleidung zusammengefasst werden. In Ski-Jacken integrierte Bedienungseinheiten für MP3-Player oder Chips, die das Aufspüren nach einem Lawinenunglück erleichtern sollen, haben schon längst den Markt erobert.
Aber auch technische aufwändigere Lösungen im Bereich der medizinischen Betreuung haben schon Marktreife erlangt. Die Firma Applied Digital Solutions beispielsweise bietet einen Chip an, der - einmal in den Körper des Patienten implantiert - dessen Standort und lebenswichtigen Daten wie Blutwerte und Herzschlag jederzeit überwacht und im Notfall schnellstmögliche Hilfe garantieren kann.
Unter dem Begriff Augmented Reality findet man die wahrscheinlich interessantesten und technisch aufwändigsten Geräte. Dieser Bereich fasst alle jene Systeme zusammen, die Teile der Realität für den Benutzer überlagern und ihm durch die zusätzlich erfasste und aufbereitete Information eine Hilfestellung geben. Die schon erwähnten Head-Mounted-Displays fallen in diese Kategorie.
An Anwendungsgebieten mangelt es hier nicht: Das Militär nutzt schon seit längerem diese Technologie um dem Soldaten im Einsatz Zusatzinformationen über eventuelle Ziele, feindliche Einheiten, Distanzen oder Wetterverhältnisse zu liefern. Aber auch einem Arbeiter, der eine komplizierte Aufgabe zu bewältigen hat, können über ein HMD wichtige Informationen oder Anweisungen gegeben werden, ohne dass die Arbeit dafür unterbrochen werden muss. Die Konstrukteure der Firma Boeing beispielsweise setzen bei der Flugzeugkonstruktion HMDs ein um bei der Kabelverlegung "on-the-fly" die richtigen Positionen dafür zu erhalten.
5. Herausforderungen und Ausblick
Gut vierzig Jahre sind vergangen, seit das erste Wearable-System vorgestellt wurde und die Forschung in diesem Bereich befindet sich vermutlich immer noch in den Anfängen. Die technisch aufwändigeren Geräte befinden sich immer noch auf einem Preisniveau, welches eine Verbreitung auf dem Consumer-Markt (noch) verhindert. Doch durch weitere Fortschritte der Hardware-Industrie und eine immer billigere Produktion von immer kleineren Bauteilen wird der Trend klar in diese Richtung gehen.Außer dem hohen Preis der Produkte wird sich wohl auch noch das Design der Produkte dahingehend verändern, dass Tragfähigkeit und Integration in das Alltagsleben optimiert werden. Auch die Energieversorgung des Wearables (zum Beispiel über die Körperwärme oder durch in die Kleidung integrierte Solarzellen) ist ein interessantes Forschungsthema.
Dadurch, dass Wearables sehr nah am Körper getragen werden ist die Beseitigung gesundheitlicher Bedenken eine weitere wichtige Aufgabe der Forschung. Die ständige elektromagnetische Strahlung, die bei der Benutzung von Wearables auf den Träger wirkt, könnte ein medizinisches Risiko darstellen. Doch auch für diese Herausforderungen wird man Lösungswege finden und in absehbarer Zeit wird die Benutzung von Wearables wohl selbstverständlich werden.
6. Referenzen
www-agki.tzi.de/LV/W/wearcam.org/icwckeynote.html
www.cs.bris.ac.uk/Publications/Papers/2000487.pdf
www.teco.edu/lehre/ubiqws0607/04devicescv.pdf
www.ices.cmu.edu/design/wearability/
http://www.adsx.com/