Location Aware User Interfaces
Einleitung
Location-Aware-, Context-Aware- und auch Personalized-Services nehmen in letzter Zeit, dank fortschreitender technologischer Entwicklung immer mehr an Bedeutung zu. Dies gilt nicht nur für die verwendeten Endgeräte wie Mobiltelefone oder PDAs sonder auch für die Infrastruktur und Sensoren. Durch die Verwendung von Context-Informationen könnte die steigende Komplexität der Endgeräte drastisch gesenkt und völlig neue Services bereitgestellt werden. Folglich tätigen Telekommunikations- und Informationsanbieter hohe Investitionen in die Forschung und den Aufbau der nötigen Infrastruktur. Context kann hierbei wohl am besten als "physisches Umfeld" oder "Zusammenhang" interpretiert werden und beinhaltet neben der Positionierung (siehe nächster Paragraph) noch andere vielfältige Informationen über den jeweiligen Nutzer. Dies können beispielsweise Angaben über dessen direkte Umgebung sein (z.B. Temperatur, Lichtverhältnisse etc.), zur Verfügung stehende Ressourcen (Bandbreite, Content etc.) oder sich in der nähe befindliche Personen und Endgeräte. Herausforderung ist es dann die ermittelten Daten zu prüfen, zu filtern und zu bündeln um sie dem Nutzer über ein geeignetes User Interface aufbereiten zu können. Im folgenden Essay soll nun zuerst näher auf den Begriff der Location-Awareness eingegangen werden und ein kurzer überblick über die (derzeitigen) Möglichkeiten gegeben werden. Anschließend werden kurz Technologien der Lokalisierung dargestellt und einige Beispieldienste aus Wirtschaft und Forschung betrachtet. Zu beachtende Aspekte und verschieden Arten der Benutzerschnittstellen werden im Paragraphen User Interfaces behandelt, bevor dann kurz kritisch auf Location-Based Services eingegangen wird.
Begriffsdefinition – Location Awareness
"The capability to detect the exact or relative location of a device, particularly a wireless device such as a cell phone." [Glossary] Diese Definition deckt nun lediglich den technischen Positionierungsaspekt ab, der aber nur einen Teil der Location Awareness darstellt. Auch die Kommunikation mit anderen Personen, Systemen oder Endgeräten sowie das Erkennen und Nutzen von Ressourcen in der Umgebung fallen unter diesen Terminus. Ein einführendes Beispiel wäre die Ankunft an einem Bahnhof. Das verwendete Endgerät registriert die Position des Users und bietet bspw. Informationen über die nächsten Reisemöglichkeiten oder einen Lageplan des Bahnhofes mit aktueller Position an. Ferner können Empfehlungen über nahe gelegene Hotels oder Restaurants abgegeben werden, oder ermittelt werden, ob sich befreundete Personen in der Nähe befinden.Nach H. W. Peter Beadle besteht ein System, welches Awarenesses bereitstellt aus folgenden Komponenten (vgl. [Beadle1]):- Komponenten zur Interaktion mit dem User, dies können neben den offensichtlichen mobilen Devices wie Handys oder PDAs auch völlig andere Geräte oder Gegenstände wie Türen, Kaffeemaschinen oder Kugelschreiber sein, die auf Positionsänderungen reagieren. - Komponenten, die zu messende Daten bereitstellen, also die Position, Orientierung, Temperatur etc. - Sensortechnik um die Daten zu messen. Hier kommen neben den Positionierungstechniken, welche im nächsten Paragraphen vorgestellt werden natürlich auch Sensoren für Temperatur, Lichtverhältnisse etc. zum Einsatz. - Eine Instanz zur Interpretation und Bündelung der Informationen. - Eine Kommunikationsinfrastruktur, die bspw. aus einer Netztechnologie wie UMTS oder GSM bestehen kann.
Möglichkeiten der Lokalisierung
Zur Lokalisierung von Endgeräten stehen zurzeit vielerlei Technologien zur Verfügung, welche unterschiedliche Präzision aufweisen und für verschiedene Dienste geeignet sind. Es soll nun ein kurzer überblick über einige dieser Möglichkeiten gegeben werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
GPS Das derzeit bekannteste und einfachste Ortungssystem ist das Global Positioning System (GPS). Ursprünglich für die Navigation und Positionsbestimmung im militärischen Bereich entwickelt, wird GPS heutzutage für vielerlei zivile Dienste eingesetzt. Dazu gehören neben Navigationssystemen auch das Vermessungswesen und die Landwirtschaft. Das System wurde 1973 vom amerikanischen Militär entwickelt und erst 1995 für zivile Dienste freigegeben. Bis ins Jahr 2000 wurden Positionsbestimmungen aber künstlich verschlechtert, was den Aufschwung von Navigationssystemen bis zum Jahrtausendwechsel bremste. Seitdem kann das System GPS-Endgeräte bis auf 1-10m genau orten. Um dies zu realisieren, besteht das System aus 24 Satteliten, die auf sechs verschiedenen Umlaufbahnen die Erde umkreisen. Jeder dieser Satelliten sendet Signale aus, die ihre Position und die Uhrzeit enthalten. GPS-Endgeräte können dann aus den Laufzeiten ihre Position berechnen. Dazu sind theoretisch drei Satteliten notwendig, da GPS-Empfänger aber keine genügend präzisen Uhren besitzen ist zur genauen Berechnung von Position und Höhe aber ein vierter Satellit notwendig. GPS bietet eine einfache und kostengünstige Möglichkeit zur Ortsbestimmung, allerdings ist es auf den Outdoor-Bereich beschränkt. Aufgrund ihrer hochfrequenten Signale ist es nicht möglich GPS-Empfänger in Gebäuden oder Häuserschluchten großer Städte zu benutzen.
Handynetze Doch auch handelsübliche Mobiltelefone können zur Positionsbestimmung herangezogen werden, wobei hier wieder mehrere verschieden Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Als erstes kann die Position des Endgerätes und somit die des Benutzers über die so genannte Cell of Origin ermittelt werden, also im Sendegebiet welcher Basisstation sich der User befindet. Das Problem bei diesem Verfahren ist, dass die Genauigkeit der Messung von der Größe der jeweiligen Funkzelle abhängt. So kann die Position in Städten mit relativ hoher Präzision (ca. 50m pro Funkzelle) bestimmt werden, in ländlichen Gebieten aber einige Kilometer betragen. Vorteil dieser Messtechnik ist, dass sie sowohl von der Positionsbestimmung unkompliziert ist aber auch die schon vorhandene Hardware benutzt werden kann. Eine andere Möglichkeit die Position über das GSM-Netz zu bestimmen ist die Time of Arrival zu bestimmen. Dazu werden drei nicht-kolineare Basisstationen benötigt, wobei gemessen wird, welche Zeit ein Signal vom Handy zum Sendemasten benötigt. Diese Technik der Lokalisierung ist im Durchschnitt um einiges präziser als lediglich die Cell of Origin zu betrachten, allerdings werden hier präzise Zeitmessung und Synchronisation der Sender und Endgeräte benötigt. Alle diese Techniken können auch auf WLAN-Zellen angewendet werden, wobei hier nicht mit Signallaufzeiten, sondern meist mit Signalstärke gearbeitet wird.
Infrarot Da viele Positionierungsverfahren in Gebäuden nicht oder nur eingeschränkt funktionieren, wurde Ende der 90er Jahre von AT&T ein Verfahren entwickelt, um Mitarbeiter in großen Firmen zu lokalisieren. Dazu wurde jeder Mitarbeiter mit einer ID-Badge ausgestattet, die gleichzeitig als Infrarot-Sender agierte. Jedoch mussten Büroräume flächendeckend mit Infrarotempfängern versehen werden, um das Signal sicher einfangen zu können und auf größere Räume und Fabrikhallen war es nicht anwendbar.
RFID (Radio Frequency Identification) Eine neue Technologie, die nicht nur für Location-Based Services in den nächsten Jahren drastisch an Bedeutung gewinnen wird ist die sog. Radio Frequency Identification. Dieses System besteht aus Transpondern (auch RFID-Chips oder RFID-Tags genannt) und Lesegeräten. Auf dem Transponder-Chip sind alle wichtigen Daten gespeichert und können vom Lesegerät ohne Sichtkontakt abgerufen werden. Je nach Signalstärke kann der Abstand von Transponder zu Reader von einigen Zentimetern bis zu Kilometern reichen. Dazu können sowohl batteriebetriebene Sender verwendet werden, als auch Transponder, die die nötige Leistung aus den Funkwellen des Reader beziehen. Zur Positionsbestimmung kommt diese Technologie bspw. schon in fahrerlosen Transportsystemen zum Einsatz.
Beispieldienste
Um die Möglichkeiten von Location-Based Services zu veranschaulichen, werden nun einige ausgewählte Beispielanwendungen erläutert.
Badge-System Eines der ersten Location-Based-Systeme war die schon erwähnte Active-Badge-Technologie. Mit dieser konnten Telefon-Rezeptionisten/Innen einen Mitarbeiter im Gebäude lokalisieren. Der Prototyp wurde von der Firma Olivetti in Cambridge (UK) entwickelt und fand bald Verwendung bei Xerox, im MIT Media Lab etc.
Reiseführer Eine interessante Möglichkeit um Location-Based Services zu nutzen sind Touristen- bzw. Reiseführer. Mit Hilfe von Positionierungstechniken, kann dem Reisenden nicht nur seine aktuelle Position auf einer Karte mitgeteilt werden, es können auch automatisch Informationen über Sehenswürdigkeiten angeboten werden. Der Dienst kann dem User Informationen über weitere nahe gelegene Museen oder Gebäude geben, oder auch Restaurantempfehlungen abgeben. Eine frühe Entwicklung ist hier das System der Universität Lancaster, das unter dem Namen "GUIDE" um 2000 entwickelt wurde. Dieser Dienst konnte auf Portable PCs ausgeführt werden und war eine Kombination aus Push- und Pull-Diensten für Besucher der Stadt.
Buddy-Systeme und POIs So genannte Points of Interest können z.B. Kinos, Restaurants, Tankstellen etc. sein. Der User gibt seine Interessen an und über das Positionierungssystem werden ihm nahe gelegene Locations angeboten. Dies ist natürlich auch für andere Endgeräte möglich, so können dem Nutzer befreundete User in der Nähe angezeigt werden.
Navigationssysteme Die wohl offensichtlichste Möglichkeit, Positionierungssysteme zu nutzen sind Navigationssysteme. Im Bereich der Luft- und Schifffahrt schon lange etabliert, genießen sie in letzter Zeit auch immer mehr Ansehen im privaten Bereich. Neben Systemen für Autos sind auch Navigationssysteme für Radfahrer oder Wanderer im Aufschwung. Auch für Spiele werden sie bereits verwendet, was sich Geocoaching nennt.
Sicherheit und Notfall Aber auch im Ernstfall kann der Einsatz von Location-Based Services von Nutzen sein. So können beispielsweise Einsatzkräfte, nach Absprache mit dem User, dessen Endgerät orten lassen um so schneller vor Ort zu sein.
User Interfaces
Die große Herausforderung in der Entwicklung von Location-Based Service ist es die große Fülle an Informationen zu filtern und dem User über eine geeignete Schnittstelle aufzubereiten. Dabei muss bedacht werden, dass die verwendeten Endgeräte meist über relativ kleine Displays verfügen und die Art der Input-Devices eingeschränkt ist. So liegt in den meisten Fällen ein Mobiltelefon oder ein Personal Digital Assistant vor, der lediglich über wenige Tasten zu bedienen ist. Darüber hinaus muss hier zwischen Push- und Pull-Diensten unterschieden werden, die unterschiedlich Interfaces benötigen. Bei Push-Diensten werden die Daten automatisch an das jeweilige Endgerät gesendet, ohne dass der User hierfür explizit einen Auftrag gegeben hat. Beispiele für einen Dienst, wäre die Benachrichtigung, falls sich ein Bekannter in der Nähe befindet oder ein interessantes Ereignis ansteht. Eine solche Benachrichtigung darf aber in keinem Falle aufdringlich sein oder den User von seiner eigentlichen Aufgabe ablenken. Eine Lösung findet sich hier im Bereich von Instant Messengern und Sidebars. Diese nehmen einen kleinen Bereich des Bildschirms ein, der User hat sie immer Blick, sie behindern ihn aber nicht beim Arbeiten. Tritt dann ein interessantes Ereignis ein, kann er selbst aktiv werden und nähere Informationen abrufen. Bei Pull-Diensten erteilt der User selbst den Auftrag und ordert Informationen wie z.B. einen Routenplaner. Hier rückt die Anwendung ins Zentrum des Users und kann bildschirmfüllend dargestellt werden. Um dem User die große Fülle an Informationen aufbereiten zu können, müssen Location Aware User Interfaces ein hohes Maß an Individualisierbarkeit bieten. Es muss dem Nutzer möglich sein, auszuwählen welche der Dienste (Wetter, Karte etc.) er wo auf seinem Endgerät sehen will. Allerdings existieren bis jetzt noch keinerlei User-Studies oder Forschungen, die die Darstellung von Awareness-Informationen wissenschaftlich untermauern. Völlig neue Benutzerschnittstellen im Bezug auf Location Based Services bieten sich, durch die Entwicklung von Tracking-Systemen und Augmented Reality an. Tracking beinhaltet hier sowohl das dreidimensionale Abtasten der Umgebung, als auch das Tracken von z.B. Hand oder Augen, um dies als Eingabeschnittstelle zu benutzen. Denkbar wären hier Brillen, die Location-Based Services in Form von Augmented Reality bereitstellen. Als hochinteressante Einsatzfelder wären hier Reiseführer zu nennen, die anhand der Position interessante Informationen einblenden, oder Navigationssysteme, die die Route direkt auf die Straße projizieren. Das User Interface könnte hier neben Spracheingabe aus Eye-Tracking und dem Zeigen auf Objekten bestehen.
Kritik
"Location-aware devices and services are emerging at the intersection of empowerment and surveillance: the same technology that could let you know if a good Chinese restaurant or old friend is in the vicinity could also betray your location to a totalitarian government, neighborhood spammers, and your vindictive ex-spouse."[Rheingold] Die Einführung neuer Technologien und Services liefert auch immer neue Probleme und Diskussionsstoff. Nie war die öffentliche Diskussion über Datenschutz- und Privacyaspekte größer und sie wird sich in den nächsten Jahren durch die Einführung von noch genaueren Positionierungsaspekten noch verschärfen. Wer hat Zugriff auf die Positionierungsdaten? Ist es dem User möglich die Positionierung vollkommen abzuschalten? Wie werden sich neue Technologien auf die Werbung auswirken? Ist die Positionierung bei der Auslieferung von Engeräten ein- oder ausgeschaltet? Diese Fragen werden im Zuge der Einführung von Location-Based Services zu bedenken sein. Darüber hinaus liegt bis jetzt noch keinerlei Standardisierung oder Definition von Richtlinien vor, die Entwicklung steckt bis jetzt noch, obwohl technologisch schon seit mehreren Jahren möglich, in einer frühen Phase. Die große Sensibilität für solcherlei Technologien zeigt sich bspw. an der laufenden Initiative "Stop RFID", welche unter anderem Tipps gibt, wie man RFID-Tags am besten untauglich macht.
Ausblick
Neben den Privacy- und Datenschutzproblemen, die im Zuge der Entwicklung von Location Based Services auftreten, zeigen viele andere Aspekte, das die Technologie der kontextbezogenen Benutzerschnittstellen noch in den Kinderschuhen steckt. So bestehen noch keinerlei Standards zur Kommunikation oder Modellierung von Diensten, jeder Anbieter baut derzeit noch auf proprietäre Systeme. Auch ist die Forschung im Bereich der User Interfaces noch in den Anfängen. So gibt es noch keinerlei Informationen darüber, wie Benutzer mit der neuen Qualität der Informationen umgeht, und auf diese am komfortabelsten zugreift. Allerdings bieten Location Aware User Interfaces die Möglichkeit Benutzerschnittstellen unkomplizierter zu machen und Informationen schneller und effizienter anzubieten.
Quellen:
[Beadle1] H. W. Peter Beadle,G. Q. Maguire Jr.,M. T. Smith, "Location Based Personal Mobile Computing and Communication", http://web.it.kth.se/~maguire/LocationAware/ieee_lan_98/index.html [Hong1] Jason I. Hong, James A. Landay, "An Infrastructure Approach to Context-Aware Computing", http://guir.berkeley.edu/projects/confab/pubs/context-essay-final.htm [Rheingold] Howard Rheingold, "Location-aware Devices, Privacy, and UI Design" , 2003, http://www.thefeaturearchives.com/topic/Privacy/Location-aware_Devices__Privacy__and_UI_Design.html [Saskatchewan] Golha Sharifi, Ralph Deters, Julita Vassileva, Susan Bull, Harald Röbig, "Location-Aware Adaptive Interfaces for Information Access with Handheld Computers", http://julita.usask.ca/Texte/AH2004_camera.pdf [Korkea] Mari Korkea-aho, "Context-Aware Applications Survey", 2000, http://users.tkk.fi/~mkorkeaa/doc/context-aware.html [Glossary] "MobileMAN GLOSSARY", http://mobileman.projects.supsi.ch/glossary.html