Modelle helfen Entwicklern, gute Schnittstellen zu entwerfen, indem sie Aspekte
des menschlichen Verständnisses, des Wissens, der Absichten oder der Verarbeitung
darstellen.
In dieser Arbeit werde ich ein spezifisches quantitatives Analysenwerkzeug vorgestellen,
das Keystroke Level Model, entwickelt von Card, Moran und Newell (1983).
Dieses Model basiert auf das Zählen der Tastenanschläge des Benutzers,
um eine gegebene Aufgabe auf einem gegebenen Computersystem durchzuführen.
Die Daten werden bewertet, aufaddiert und anhand dieser Resultate, unter der
Berücksichtigung des mentalen Zustands des Benutzers und den Systemantwortzeiten,
läßt sich für nicht zu umfangreiche Handlungen die Zeit für
ihre Durchführung abschätzen.
Das Keystroke Level Modell ist einfach und flexibel und lässt sich leicht
in den praktischen Design- und Auswertungssituationen anwenden. Es betrachtet
nur einen einzelnen Aspekt zur Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Systems,
nähmlich die Zeit. Weitere wichtige Dimensionen der Leistungsfähigkeit
eines Mensch-Computer Systems, die aber in den hier vorgestellten Model nicht
berücksichtig werden, sind:
- Zeit - Wie lang braucht einen Benutzer, um bestimmte Aufgaben auf ein System
zu vollenden?
- Fehler - Wieviele Fehler macht ein Benutzer und wie ernst sind sie?
- Lernen - Wie lang braucht ein Anfänger, um zu lernen, wie man das System
benutzt, um vorgegebene Aufgaben zu lösen?
- Funktionsumfang - Welche Aufgaben kann der Benutzer mit diesem System lösen?
- Erinnern - Wie einfach ist es für den Benutzer sich zu erinnern, wie
man das System zur Lösung einer Aufgabe hanhabt?
- Aufmerksamkeit- Wie konzentriert ist der Benutzer beim Erledigen der Aufgaben?
- Müdigkeit- Wie anstrengend ist es für die Benutzer lange Zeit das
System zu nutzen?
- Akzeptanz - Wie werten Benutzer subjektiv das System aus?
Kein Modell kann die ganze Vieldimensionalität menschlichen Handelns abbilden,
da die Benutzer und die Aufgaben verschieden sind. Deshalb greift das Keystroke
Level Model nur einen Aspekt des gesamten Mensch-Maschine-Systems heraus: Wie
lange eingeübte Benutzer brauchen, um eine Routineaufgabe zu erledigen.
Eine große Aufgabe, wie das Editieren eines großen Dokumentes, unterteilt
ein Benutzer in kleine, quasi-unabhängige Grundaufgaben (Operationen).
Das Keystroke Level Model teilt subgoals, in zwei Schritte auf: Zielerfassungsphase:
Der Benutzer entwickelt eine mentale Repräsentation der Aufgabe; Ausführungsphase:
Die Aufgabe wird mit den Eingabemedien des Systems erledigt.
Die Formel dafür lautet: T aufgabe = T zielerfassung + T ausführung.
Die Zielerfassungszeit für eine Grundaufgabe hängt von der Situation
ab, in der sie auftritt. Also wenn einem Benutzer die zu erledigenden Aufgaben
aufgelistes sind, wird er ca. 2-3 Sekunden brauchen, um sich zu entscheiden
wie er handelt und vorgeht. Wenn aber dagegen in einer Routinedesignsituation
die Aufgaben im Verstand des Benutzers erzeugt werden, dauert es ungefähr
5 bis 30 Sekunden bis er sein Handeln formuliert. In einer kreativen Aufbausituation
kann dieser Prozess sogar mehr Zeit im Anspruch nehmen. Daher ist für uns
hier die Zielerfassungsphase nicht weiter von Bedeutung.
Man unterteilt die Ausführungsphase in den folgenden Operatoren:
K:ein einzelner Tastendruck, B: ein einzelner Tastendruck eines Zeigegerätes,
P: Ausrichten eines Zeigegerätes auf ein Ziel, H: Wechsel der Hand zwischen
Eingabegeräten, D: Ziehen eines Zeigegerätes, M: mentale Vorbereitung
auf eine Bewegung, R: Die Antwortzeit des Systems.
Die gesamte Ausführungszeit errechnet sich aus der Summe der Ausführungszeiten
für alle benutzten Operatoren: T ausf = Tk + Tp + Th + Td + Tm + Tr
Der am häufigsten verwendeten Operator ist K, der einen Tastenanschlag
oder ein Tastenstoß darstellt. K bezieht sich auf die Taste, nicht auf
das Symbol (z.B. Shift + Buchstabe werden als zwei Tastenanschläge gerechnet).
Die durchschnittliche Zeit für ein Tastenschlag K (Tk) wurde durch Tipptests
festgestellt und wird als Standardschreibenrate betrachtet, die in eine Tabelle
festgehalten wird.
Den einzelnen Operatoren, die oben aufgelistet sind, werden durchschnittliche
Messwerte für die Ausführungszeiten zugewiesen. Diese werden je nach
Methode abgearbeitet und zusammengezählt.
Im folgenden gehe ich auf eine schrittweise Beschreibung des Keystroke Level
Model ein, um die Ausführungszeit eines Schnittstellendesigners einzuschätzen:
Als erstes wähle ein oder mehrere repräsentative Aufgabenscenarios.
Dann spezifiziere den Design so, dass Aktionen für bestimmte Aufgaben aufgezählt
werden können. Als nächstes finde für jedes Aufgabenscenario
die beste Ausführungsweise. Schreibe alle Aktionen und die dazugehörigen
Operatoren für das Erledigen der Aufgabe auf. Bei Bedarf füge Operatoren
mit ein, die für die Antwortzeiten des Systems verantwortlich sind, füge
mentale Operatoren für das Nachdenken des Benutzers ein, ordne jedem Operator
die benötigte Ausführungszeit zu, addiere die Ausführungszeiten
der Operatoren und das Ergebnis ist die geschätzte Zeit, die der Benutzer
braucht um die Aufgabe zu vollenden.
An dieser Stelle möchte ich anhand einiger Beispiele das Vorgehen des Modells
erklären. Dieses Beispiel wurde in der Vorlesung "Mensch-Maschine-Interaktion"
WS 05/06 vorgestellt.
Aufgabenziel ist es die Kommandozeile unter Windows zu starten. Hier werden
folgende Operationen ausgeführt: Drücke START, starte RUN, denke nach
welches Kommando du eingeben willst, tippe "cmd", drücke "ENTER".
Das Modell sieht volgendermassen aus:
P (gehe mit der Mause auf START) 1.10s
B (drücke linke Maustaste) 0.20s
P (gehe mit der Maus auf RUN) 1.10s
B (drücke linke Maustaste) 0.20s
M (nachdenken welchen Befehl ich ausführen will)1.35s
K[c] 0.28s
K[m] 0.28s
K[d] 0.28s
K[return] 0.28s
Also als Ergebnis kommt heraus, dass man in Mittel 5.07s für die Ausführung dieser Aufgabe benötigt.
Das Keystroke Level Model wird in der Forschung angewendet, um Effizienz und
Leistungsfähigkeit einer neuen Lösung eines GUI (Graphical User Interface)
zu bewerten. Denn in vielen Fällen nach sorgfältiges Testen der Lösung
stellt es sich heraus, dass neue Lösungen mehr Zeit in Anspruch nehmen
und deshalb nicht implemeniert werden. Die Vorteile des Systems sind die Entscheidungen
zwischen Designalternativen, Frühwarnung vor Problemen und die Erforschung
der Benutzerreaktionen.
Von Versuchen, die nicht sorgfältig geplant sind, kann man keine nützlichen
Ergebnisse erwarten. Dagegen ersparen gut geplante Versuche, die rechtzeitig
durchgeführt werden, Umwege, Enttäuschung der Kunden und vorallem
Kosten.
Natürlich kann man auch viel komplexere Modelle anwenden und erfinden,
aber das Keystroke Level Model hat sich seiner Einfachheit bewehrt.
Das Keystroke Level Model hat einige Beschränkungen: Der Benutzer muß
ein Experte sein; die Aufgabe muß eine Routineaufgabe sein; die Methode
muß im Detail spezifiziert werden und die Leistung muß fehlerlos
sein. Diese Beschränkungen sind wichtig und müssen sorgfältig
beim Verwenden des Modells betrachtet und durchdacht werden. Jedoch glaube ich,
dass das Keystroke Level Model eine passende Idealisierung dieses Aspekts der
Leistungsfähigkeit darstellt und dass es ein flexibles Werkzeug ist, dass
dem Systemdesigner erlaubt, diesen Aspekt des Verhaltens systematisch zu untersuchen.
Literatur:
-Using the Keystroke-Level Model to Estimate Execution Times. David Kieras.
University of Michigan 2001
-The keystroke-level model for user performance time with interactive systems.
Stuart K. Card and Thomas P. Moran. Year of Publication: 1980 ISSN:0001-0782
- http://www.cc.gatech.edu/classes/cs6751_97_fall/projects/!rodney/HAR_KLM.html
Stand November 2005
- http://www.csl.mtu.edu/cs3611/www/Lectures/TheoreyLectures/metrics.html Stand
November 2005
- http://www.cs.umd.edu/class/fall2002/cmsc838s/tichi/goms.html Stand November
2005