Change Blindness

von Sebastian Krämer

15.12.2004

Begriff

Unter Change Blindness versteht man die "Blindheit gegenüber Veränderung". Man kann, unter bestimmten Umständen, in einem Bild eine große Veränderung machen ohne dass es der Betrachter merkt. Diese Besonderheit zeigte sich in mehreren Experimenten durch Einblenden von Störinformationen zwischen dem Originalbild und dem verändertem Bild. Diese Störinformationen können zum Beispiel sein: ein kurzes Flackern oder einzelne Flecken auf dem Bild. Aber auch schon ein Lidschlag des Betrachters oder die einfache Verschiebung des Bildes genügt um diesen Effekt zu erzielen. Wird jedoch zwischen den Bildern direkt gewechselt ohne eine Zwischeneinblendung, so ist die Veränderung sofort erkenntlich.

Man unterscheidet globale Unterbrechungen, bei denen das ganze Bild durch eine Unterbrechung verdeckt wird, und lokale Unterbrechungen bei denen nur ein Teil des Bildes durch einzelne Flecken verdeckt wird.

Zu den globalen Unterbrechungen gehört zum Beispiel das Einblenden von einem Leerbild zwischen den beiden Bildern, wodurch es den meisten Betrachtern schwer fällt die Veränderung gegenüber dem vorherigen Bild zu erkennen, bzw. überhaupt eine Veränderung zu bemerken. Der gleiche Effekt entsteht durch einen Lidschlag des Betrachters. Dies wurde in einigen Tests wie folgt ausgenutzt: Ein Computer betrachtete die Augen der Versuchsperson und bei einem Lidschlag veränderte er das Bild.

Zu den lokalen Unterbrechungen zählt das kurzfristige Einblenden von kleinen Flecken auf dem Originalbild. Sie müssen weder so groß wie die Veränderung sein noch den veränderten Teil überdecken.

Eine weitere Methode Veränderungen unerkannt zu lassen besteht darin das Objekt so langsam zu verändern, dass die Geschwindigkeit der Veränderung unterhalb des Schwellwertes für dezentrale Erkennung der Augen liegt. Auch das Ein- und Ausblenden zusätzlicher Informationen kann damit ermöglicht werden ohne dass der Betrachter es merkt. Allerdings gilt dies nicht nur für Bilder sondern funktioniert auch im echten Leben. Folgendes Experiment hat das bewiesen:

Eine Person fragt eine Versuchsperson auf der Straße nach einem Weg. Während die Versuchsperson den Weg beschreibt, tragen zwei Arbeiter eine große Tür zwischen den beiden durch, so das sie sich kurzzeitig nicht sehen können. Während die beiden Personen sich nicht sehen können, tauscht die fragende Person mit einem der Arbeiter und geht mit dem anderen Arbeiter und der Tür weiter ohne dass die Versuchsperson es sieht. Wenn nun die Versuchsperson sein Gegenüber wieder sieht, fällt der Hälfte aller Versuchspersonen der Wechsel nicht auf.

Ursache

Der Grund für diese "Blindheit gegenüber Veränderung" liegt darin, dass wir nur einen Teil dessen, was wir betrachten, uns merken können. Man glaubt zwar passiv alles wahrzunehmen, allerdings beschränkt sich unser Kurzzeitgedächtnis auf einige wenige (4-5) Informationen. Somit werden meistens nur die Objekte gespeichert, welche unsere Aufmerksamkeit erregen.

Unter normalen Umständen würde durch eine Veränderung in einem Bild folgendes Geschehen: das Auge nimmt die Veränderung war und lenkt die Aufmerksamkeit darauf, wodurch der Betrachter feststellt, dass eine Veränderung stattgefunden hat und wo, aber nicht was sich verändert hat. Um zu erkennen was sich verändert hat, muß der Betrachter in seinem visuellen Gedächtnis gespeichert haben, was sich zuvor an dieser Stelle befunden hat. Aber durch das Einblenden globaler Unterbrechungen kann dieser Mechanismus gestört werden, sowohl dass überhaupt eine Veränderung stattgefunden hat als auch, dass sich etwas verändert hat.

Um die Veränderung auf Anhieb zu erkennen, muß das veränderte Objekt vor dem Wechsel die Aufmerksamkeit des Betrachters erregt haben und damit in seinem visuellen Gedächtnis abgelegt sein oder er muß sich gerade im Moment des Wechsels diese Objekt angesehen haben, da sonst keine große Chance auf Erfolg besteht. Durch den indirekten Übergang zwischen den Bildern muß also der Betrachter das neue veränderte Bild mit dem aus seinem Gedächtnis vergleichen.

Bei den lokalen Unterbrechungen, wie den Flecken, ist die Funktion die gleiche. Aber hier wird durch das Einblenden auch noch absichtlich die Aufmerksamkeit auf die Flecken gelenkt.

Anwendung

Wegen der Überladung der heutigen und vor allem zukünftigen Gesellschaft mit Informationen besteht der Bedarf nach ruhigeren Umgebungen. Durch die steigende Anzahl an Displays in allen Lebenslagen, insbesondere zu Hause, im Büro oder in der Öffentlichkeit, steigt auch die Menge an Informationen. Um diese ruhigere Umgebung zu schaffen kann der Effekt der "Change Blindness" verwendet werden, da durch den ständigen Wechsel von Informationen diese gestört wird. Um aber trotzdem die aktuellen Informationen erscheinen zu lassen ohne größere Störung, kommt man um einen Anzeigewechsel nicht herum. Was in der Öffentlichkeit durch auffallend blinkende Displays erwünscht ist, zumindest von Seiten der Werbeindustrie, ist in Umgebungen in denen man nicht sofort auf die Veränderung aufmerksam gemacht werden soll nicht erwünscht. So kann sich der Betrachter immer die aktuellste Information holen, wenn er sie benötigt, ohne sich von seiner vorherigen Tätigkeit ablenken zu lassen mittels der "Change Blindness". Da ein offensichtlicher Wechsel immer die Aufmerksamkeit des Betrachters, zumindest für kurze Zeit, in Anspruch nimmt sorgt der versteckte Übergang einer Information dazu, dass zum Beispiel nicht die Konzentration für eine momentane Aufgabe verloren geht.

Allerdings kann diese Methode auch missbraucht werden. Insbesondere im Internet, wo durch die heutzutage vorhandene große Bandbreite immer mehr Informationen in einer Seite übergeben werden. Dadurch wird oft die Aufmerksamkeit des Betrachters auf andere, unwichtige Objekte gelenkt, wodurch dieser erst recht nicht mehr entscheidende Veränderungen wahrnimmt. Dies kann besonders bei E-Payment zu einer großen Gefahr führen, wo wichtige Informationen, wie Zahlungsbetrag oder Empfänger, ausgetauscht werden bevor der Benutzer sie bestätigt und zum Beispiel als Beleg ausdruckt.

Letztendliche besteht die Gefahr des Missbrauchs besonders durch die starke Verbreitung von digitalen Ausgabegeräten im öffentlichen sowie im privaten Bereich. Um dieses Risiko zu mindern besteht zum Beispiel die Möglichkeit genormte Ausgabegeräte, welche die nicht zertifizierte bzw. erlaubte oder erwünschte Ausnutzung der oben genannten Methoden erkennen und verhindern.

Der Nutzen liegt ganz klar darin die momentanen Informationsmengen, die alle gleichzeitig auf uns einwirken können und es schwer fallen lassen sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, mittels der "Change Blindness" so präsentieren zu können, dass Veränderungen die keine unmittelbare Aufmerksamkeit benötigen ausgeblendet werden, aber trotzdem die veränderten Informationen immer vorhanden sind.

Beispiel

Links und Quellen

Change blindness as a result of mudsplashes

Explaining sensory phenomenology

Encyclopedia of Cognitive Science

Designing for the Grand Illusion

Change Blind Information Display for Ubiquitous Computing