Maria Wagner

Farben und Farbwahrnehmung

Farben und Farbwahrnehmung sind zwei nicht voneinander zu trennende Dinge. Denn Farben sind kein rein physikalisches Phänomen. Ohne Farbwahrnehmung würde es auch keine Farben geben, denn sie entstehen erst im Gehirn des Menschen.

1. Physikalische Aspekte, Licht und Optik

Aus physikalischer Sicht entspricht die Wahrnehmung von Farben der Wahrnehmung verschiedener Wellenlängen von reflektierter elektromagnetischer Strahlung. Diese Strahlung trifft in Form von Photonen auf die Netzhautzellen und erzeugt dort einen Farbreiz. Dabei ist die menschliche Wahrnehmung jedoch auf den Wellenlängenbereich zwischen 380 und 780 nm eingeschränkt. Natürliche Farben sind meistens aus verschiedensten Wellenlängen zusammengesetzt. Das liegt daran, dass Objekte, auf die Licht fällt, einen gewissen Teil der Wellenlängen absorbieren und die übrigen Wellenlängen reflektieren. Diese reflektierten Wellenlängen bestimmen letztlich , in welcher Farbe das Objekt erscheint. Objekte, die das gesamte Spektrum reflektieren erscheinen weiß und Objekte, die (fast) kein Licht reflektieren schwarz. Farben, die nur aus einer einzelnen Wellenlänge bestehen heißen Spektralfarben. Diese reinen Spektralfarben kommen in der Natur jedoch nur sehr selten vor, sie können jedoch erzeugt werden, wenn man weißes Licht durch ein Prisma oder ein optisches Gitter leitet. Der Mensch kann etwa 150 verschiedene Spektralfarben unterscheiden. Dabei ist jedoch wichtig, anzumerken, dass die Photonen selbst nicht "farbig" sind. Die Farben entstehen letztlich durch die Interpretation der Farbreize im Gehirn, (dazu mehr in Abschnitt 2 und 3).

2. Verarbeitung im Auge

Wie kann der Mensch aber nun Farben wahrnehmen? Im Auge trifft das Licht auf die Netzhaut, die aus lichtempfindlichen Sinneszellen, den Photorezeptoren, besteht. Von diesen Photorezeptoren gibt es zwei Typen: Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sind lichtempfindlicher, haben aber alle das gleiche spektrale Absorptionsverhalten und eignen sich daher nicht, Farben zu unterscheiden. Von den Zapfen hingegen besitzt der Mensch drei Sorten, die ihre höchste Empfindlichkeit in unterschiedlichen Spektralbereichen haben (daher auch trichromatisches Sehen). Sie werden auch Rot-, Grün- und Blaurezeptoren genannt. Dies sind jedoch nur Bezeichnungen und haben wenig mit dem RGB-Farbsystem zu tun. Die Empfindlichkeitsbereiche dieser drei Rezeptortypen überschneiden sich stark, so sind die Absorptionsmaxima von Rot- und Grünrezeptoren nur um 30 nm verschoben, weshalb auch monochromatisches Licht, z.B. mit einer Wellenlänge von 500 nm, alle drei Rezeptortypen zu einem bestimmten Grad anregen kann.

Interessanterweise gibt es Tiere, z.B. Fische und Vögel, die sogar vier farbempfindliche Photorezeptortypen besitzen. Dies nennt man dann tetrachromatisches Sehen. Bei den frühen Säugetieren ist die Fähigkeit des Farbensehens verloren gegangen, da diese Tiere nachtaktiv waren. Dafür entwickelten sich als neuer Rezeptortyp die besonders lichtempfindlichen Stäbchen. Daher besitzen die meisten der heutigen Säugetiere nur zwei oder sogar weniger Zapfen. Die beim Menschen vorhandenen Grün- und Rotrezeptoren mussten sich deshalb wieder aus einem Rezeptor entwickeln. Deshalb liegen die Absorptionsspektren dieser Rezeptoren sehr nahe beieinander und sind daher auch die Ursache für die häufigsten Formen von Farbfehlsichtigkeit (siehe Abschnitt 4).

Fällt nun Licht auf die Zapfen, so zersetzt es bestimmte chemische Verbindungen, so genannte Sehstoffe oder Sehfarbstoffe. Dadurch wird eine Erregung ausgelöst. Die so erzeugten Signale werden nach der Gegenfarbtheorie noch in der Netzhaut weiterverarbeitet. Dies dient dazu, räumliche und farbliche Redundanz zu verringern. Die Räumliche Redundanz entsteht dadurch, dass Rezeptoren, die dicht beieinander liegen meist einen ähnlichen Intensitätswert aufweisen. Daher wird bei der Weiterverarbeitung die Differenz benachbarter Bildpunkte gebildet. Farbliche Redundanz begründet sich in der starken Überschneidung der Absorptionsbereiche von Rot- und Grünrezeptoren. Dadurch liefern diese Rezeptoren sehr ähnliche Signale. Um diese Redundanz zu beseitigen werden die drei ursprünglichen Farbkanäle der Zapfen in so genannte Gegenfarbkanäle umgewandelt. Diese bestehen aus der Summe der Signale von Rot- und Grünrezeptoren, die auch Helligkeitskanal genannt wird, sowie zweitens der Differenz zwischen Rot- und Grünkanal und drittens der Differenz zwischen dem Blaukanal und dem Helligkeitskanal.

3. Folgerungen für die Farbwahrnehmung

Wie in Abschnitt 1 beschrieben setzt sich das von Objekten reflektierte Licht, das ihre Farbe bestimmt, aus verschiedenen Wellenlängen zusammen. Da das Auge die Farben jedoch nur über die Erregungszustände der verschiedenen Farbrezeptoren wahrnimmt, die auf diese unterschiedlichen Wellenlängen reagieren, ist es möglich, dass verschiedene Wellenlängenkombinationen den gleichen Farbeindruck hervorrufen. Dies ist auch die Grundlage von Farbmodellen wie RGB. Wenn man z.B. Licht mit Wellenlängen im grünen und roten Bereich auf die Netzhaut trifft, so werden die Photorezeptoren in gleicher Weise erregt, wie bei monochromatischem gelbem Licht.

4. Farbfehlsichtigkeit

Bei einigen Menschen ist die Fähigkeit, Farben wahrzunehmen, gestört. Dabei kann man verschiedene Formen von Farbfehlsichtigkeit unterscheiden.

Die häufigste Form ist die anomale Trichromasie. Wie wir in Abschnitt 3 gesehen haben, haben die drei Zapfentypen einen unterschiedlichen Empfindlichkeitsbereich. Bei anomalen Trichromaten überlappen sich jedoch die Empfindlichkeitsbereiche von zwei Zapfentypen. So ist z.B. bei einer Rotschwäche die Absorptionskurve der Rotrezeptoren in Richtung der Grünrezeptoren verschoben. Dadurch ist bei diesen Menschen die Fähigkeit, Farben zu unterscheiden, eingeschränkt. Am häufigsten treten Deuteranomalie (Grünschwäche) und Protanomalie (Rotschwäche) auf.

Bei der Dichromasie dagegen sind nur zwei Zapfentypen vorhanden. Bei der Deuteranopie (Grünblindheit) fehlen die Grünrezeptoren, bei der Protanopie (Rotblindheit) die Rotrezeptoren.

Da die häufigsten Formen von Farbfehlsichtigkeit die Rot- bzw. Grünwahrnehmung betrifft, spricht man auch von Rot-Grünblindheit. Dagegen sind die Blaurezeptoren nur selten betroffen, was wohl an der Entwicklungsgeschichte liegt (siehe Abschnitt 2). In diesem Fall spricht man von Tritanomalie (Blau-Gelb-Schwäche) bzw. Tritanopie (Blau-Gelb-Blindheit). Totale Farbenblindheit dagegen kommt äußerst selten vor. Hier sind entweder nur ein Zapfentyp (Monochromasie) oder gar keine Zapfen (Achromasie) vorhanden.

Farbfehlsichtigkeit wird meist genetisch vererbt und betrifft immerhin 7% der Bevölkerung, davon meistens Männer. Dies sollte bei der Gestaltung von User-Interfaces, Webseiten usw. berücksichtigt werden.

5. Interessante Effekte der Farbwahrnehmung

Aus der Art und Weise, wie Farben vom Menschen aufgenommen und weiterverarbeitet werden resultieren einige interessante Effekte.

Der erste, den ich beschreiben will sind Farbige Nachbilder. "Bei farbigen Nachbildern erscheint das Abbild nach dem Ende des eigentlichen Lichtreizes in dessen Komplementärfarben."[10] (Wenn man eine Farbe mit ihrer Komplementärfarbe mischt, entsteht weiß) Sie entstehen z.B. dann, wenn man lange auf eine gefärbte Fläche starrt und anschließend z.B. auf eine weiße Wand schaut. Sie sind an eine bestimmte Stelle auf der Netzhaut gebunden und folgen daher den Augenbewegungen. Wodurch entstehen diese Nachbilder? Wie in Abschnitt 3 beschrieben wird beim Auftreffen von Licht auf die Rezeptoren der Reiz durch das Zersetzen von bestimmten Sehstoffen ausgelöst. Bei längerem Betrachten einer Farbe wird schließlich aller Sehstoff im Rezeptor verbraucht und braucht eine gewisse Zeit, um sich wieder zu regenerieren. Haben z.B. die Rotrezeptoren nach Betrachten einer roten Fläche ihre Sehstoffe verbraucht und wird nun eine weiße Fläche betrachtet, so werden nur noch die Grün- und Blaurezeptoren angeregt, da diese noch Sehstoffe haben. Daher würde eine weiße Fläche nun blaugrün erscheinen.

Ein weiterer Effekt ist die so genannte Farbkonstanz. Die Farbtemperatur des Tageslichts ändert sich im Verlauf des Tages. Dennoch erscheint eine weiße Fläche für den Menschen zu jeder Zeit als Weiß. Wie bei einer Kamera wird also ein Weißabgleich durchgeführt. Anscheinend kann das Gehirn die spektrale Zusammensetzung der Lichtquelle ermitteln und diesen Wert dann von der spektralen Zusammensetzung des von Objekten reflektierten Lichts abziehen. Wie genau das Visuelle System dies im Detail durchführt ist nach [12] noch nicht genau erforscht.

6. Bildmaterial

Abbildung1: Absorptionsspektren der menschlichen Photorezeptoren [8]



Abbildung2: Absorptionsspektrum bei Rotblinden [13]

7. Literatur

[1] Karl R. Gegenfurtner
Farbwahrnehmung
http://www.allpsych.uni-giessen.de/karl/teach/farbe.html

[2] Wikipedia - Farbwahrnehmung
http://de.wikipedia.org/wiki/Farbwahrnehmung

[3] Peter A. Henning
Taschenbuch Multimedia

[4] Shiralee Saul and John Bleaney
Light, colour and perception
http://www.labyrinth.net.au/~saul/essays/05colour.html

[5] Zwisler Rainer
Farbwahrnehmung
http://www.zwisler.de/scripts/farbwahr/farbwahr.html

[6] Wikipedia - Spektralfarbe
http://de.wikipedia.org/wiki/Spektralfarbe

[7] farbimpulse.de - Wie Menschen Farben sehen
http://www.farbimpulse.de/farbtheorie/detail/0/3.html

[8] Stephan Frings
Leistungsvergleich: Komplexauge und Linsenauge - Farbsehen
http://www.sinnesphysiologie.de/komplex/farbe.htm

[9] W. Ruhstorfer
Computergrafik und Bildverarbeitung - Farbe und Farbsehen
http://www.uni-regensburg.de/EDV/Misc/CompGrafik/Script_5.html#Kap5

[10] farbimpulse.de - Warum nach einem Sonnenbad die ganze Welt blau erscheint
http://www.farbimpulse.de/farbtheorie/detail/0/8.html

[11] http://world.std.com/~mmcirvin/bluesky/eyes.html

[12] http://www.farbimpulse.de/farbtheorie/detail/0/6.html

[13] http://www.physik.uni-muenchen.de/leifiphysik/web_ph09/umwelt_technik/13farbblind/farbblind.htm

[14] http://helmut.hirner.at/physio/Kapitel2/frag33/f33.htm

[15] http://www.chh.de.free.fr/archiv/ESS/Semi/ROT.pdf