Bis vor wenigen Jahren glaubte man, dass die Augen während des Lesens über den Text gleiten. Heute weiß man, dass sie beim Lesen eine Sprung-Stopp-Bewegung vollziehen, das heißt, die Augenbewegung geht ruckweise vor sich. Hierbei unterscheidet man die Haltepunkte, sogenannte Fixationen und die Sprünge, auch Sakkaden genannt. Aufgenommen wird während der Fixation. Während der Augenbewegung sieht man dagegen nichts. Wie viel bei den Haltepunkten aufgenommen wird, hängt vor allem von zwei Faktoren ab: der Blickspanne und dem Vorrat des Lesers an sogenannten Wortbildern. Im Durchschnitt kann man von einer Blickpanne von ca. 3 Buchstaben links und 14 Buchstaben rechts vom Fixationspunkt ausgehen. Je nach Vorrat an Wortbildern vollzieht sich eine Fixation in ca. 250 ms, übersprungen werden innerhalb von 15 ms ca. 7-9 Zeichen.
1.2 Wortbilder: psychologische Lesekompetenz
Wie bereits erwähnt spielt auch das Vorwissen des Lesers, der Vorrat an sogenannten Wortbildern, eine wesentliche Rolle im Leseprozess. Anhand eines Beispiels möchte ich an dieser Stelle die Bedeutung der Wortbilder verdeutlichen:
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Hier wird deutlich, dass Worte als Bilder gespeichert werden und anhand bestimmter Merkmale identifiziert werden. Der Einfluss dieser Tatsache auf den Leseprozess wird Wortüberlegenheitseffekt genannt und wirkt sich immens auf die Lesegeschwindigkeit aus: So erkennt der Mensch binnen 10ms maximal vier einzelne Buchstaben oder aber zwei ganze Wörter.
Dieses Beispiel soll nicht zu der Annahme führen, orthografische Fehler hätten keinen Einfluss auf den Leseprozess. Im Gegenteil, sie verlangsamen das Lesetempo sehr stark.
1.3 Lesegeschwindigkeit und Lesbarkeit
Geübte Leser nehmen Informationen sehr schnell auf. Während Leseanfänger die Worte buchstabieren existieren bei geübten Lesern unterschiedliche Lesetempi wie Überfliegen, Texte detailliert studieren etc.. Ungeübte, erwachsene Leser schaffen im Durchschnitt 90 bis 160 Wörter pro Minute, ein geübter Leser mit ähnlichen geistigen Fähigkeiten dagegen 500 Wörter pro Minute. Hierbei erfasst er noch mehr von dem Gelesenen. Möglich sind sogar rund 900 Wörter pro Minute.
Natürlich hängt die Lesegeschwindigkeit davon ab, ob der Text leicht oder schwierig ist. Aber auch die Lesbarkeit eines Textes spielt eine wesentliche Rolle im Bezug auf die Lesegeschwindigkeit. Sie bezeichnet vor allem die Unterscheidbarkeit der Zeichen. Die Lesbarkeit eines Textes wird z.B. durch die verwendete Schrift, die Schriftgröße und Schriftfarbe, den Buchstaben- und Wortzwischenräumen, der Zeilenbreite sowie dem Zeilenabstand beeinflusst. Abgesehen vom Inhalt spielt folglich auch die Gestaltung eines Dokumentes eine wichtige Rolle im Leseprozess, worauf im folgenden Abschnitt detaillierter eingegangen wird:
Bei der Wahl der Schriftart sollte besonders bei längeren Texten mit einer Serifenschrift gearbeitet werden. Unter Serifen versteht man die "Verzierungen" an den Buchstaben, welche die Leselinie betonen und somit den Lesefluss erleichtern. Des weiteren sollte wenn möglich auf das Mischen unterschiedlicher Schriftarten verzichtet werden, da dies den Lesefluss ins Stocken bringt.
Aber auch bei der Strukturierung eines Textdokuments ist auf eine klare Führung für das Auge zu Achten. So sollte ein angemessener Zeilenabstand gewählt werden, um beispielsweise das Springen in die gerade gelesene Zeile (statt der nächsten Zeile) zu vermeiden. Angemessen ist etwa ein Drittel der Schriftgröße, also bei einer 12 Punkt großen Schrift ein 4 Punkt großer Zeilenabstand.(3) Des weiteren sollten, um die Unterscheidbarkeit der Zeichen zu gewährleisten, Wort- und Buchstabenabstand nicht zu gering gewählt werden.
Des weiteren sollten Texte über eine optische Einteilung (Absätze, Überschriften etc.) gegliedert werden. Neben dieser äußeren Gliederung sollten sie über eine zweckmäßige Anordnung der zu vermittelnden Information verfügen, der sogenannten inneren Gliederung. Gliederungen erleichtern die Informationsaufnahme und ermöglichen dem Leser eine einfachere Selektion der vermittelten Inhalte.
2.2 Einfluss der Farbwahrnehmung auf den Lesevorgang
Ein weiterer Einflussfaktor speziell in bezug auf die Lesbarkeit von Texten ist die Farbwahrnehmung.
Die Farbwahrnehmung ist hierbei ein rein physiologisches Phänomen. Was der Mensch als Farbe wahrnimmt ist lediglich Licht im sichtbaren Bereich. Hierbei handelt es sich um elektromagnetische Strahlung, sichtbar zwischen 380 nm (Blau) und 780 nm (Rot). Die Linse des menschlichen Auges und der Glaskörper haben die Aufgabe einfallendes Licht auf die Netzhaut zu fokussieren. Dieses optische System hat, unabhängig von der Krümmung der Augenlinse, für unterschiedliche Wellenlängen unterschiedliche Brechungsindizes.
Ein Beispiel für das allgemeine Phänomen der Dispersion, also der Abhängigkeit des Brechungsindex (Ausbreitungsgeschwindigkeit / Lichtgeschwindigkeit) zur Wellenlänge ist der Regenbogeneffekt: Die elektromagnetischen Wellen breiten sich unterschiedlich schnell aus und teilen sich so entsprechend ihrer Wellenlänge, also der Farbe.
Die Dispersion führt dazu, dass die Brennweite des Auges bei gegebener Krümmung stark wellenlängenabhängig ist. Die Brennweite des Auges ist im roten Bereich am größten, im blauen Bereich am kleinsten. Das lesen von Texten, in welchen häufig der Spektralbereich wechselt erfordert deshalb eine fortwährende Änderung der Linsenkrümmung wodurch das Auge ermüdet. Entsprechend empfiehlt es sich auf die gleichzeitige Darstellung mehrerer Farben aus unterschiedlichen Bereichen des Spektrums, also beispielsweise auf roten Text vor blauem Hintergrund, zu verzichten.
Ein weiterer Aspekt ist die Anordnung der farbempfindlichen Lichtsinneszellen, der Zapfen, auf der Netzhaut. Man findet drei Typen: die Blau-, Grün-, und Rotrezeptoren. Die blauempfindlichen Zapfen befinden sich im äußeren Bereich der Netzhaut, die grünempfindlichen im Zentrum und die rotempfindlichen dazwischen. Dies hat zur Folge das für dünne Linien, kleine Formen und speziell für Text auf die Verwendung von reinem Blau verzichtet werden sollte, da sich im Zentrum der Retina, also der Netzhaut, keine blau-sensitiven Zapfen befinden.
2.4 Einfluss des Präsentationsmediums auf den Lesevorgang
Grundsätzlich ist das Lesen am Bildschirm mühsamer als das Lesen von Papier. Eine kanadische Studie belegt, dass Papierleser bei identischem Inhalt schneller lesen, länger durchhalten und auch mehr vom Gelesenen wieder geben können als Bildschirmnutzer. Sie zeigt auch, dass das Bildschirmlesen Augen und Nackenmuskulatur stärker belastet als Papierlesen.
Begründen lässt sich dies vor allem dadurch, dass Lesen am Bildschirm besondere Anforderungen an die Bildschirmqualität, die Raumbeleuchtung und die Körperhaltung des Lesers stellt. Leider sind diese Bedingungen aber weniger leicht optimal zugestalten als beim Lesen von Gedrucktem. Besonders über längere Zeit eine richtige Körperhaltung vor dem Bildschirm beizubehalten fällt den meisten Personen schwer. Deshalb kann man allgemein davon ausgehen, dass das Lesen am Bildschirm anstrengender ist und die auch sonst stark ausgebildete Neigung fördert, Seiten zu überfliegen, sich an Orientierungspunkten auszurichten und schnell auf ein anderes Angebot weiterzuzappen, wenn man nicht findet, was man sucht.
Literaturangaben:
- HENNING, Peter : Taschenbuch Multimedia: Carl Hanser Verlag München Wien 2001
- HUßMANN, Heinrich: Vorlesungsfolien "Digitale Medien": Sommersemester 2003
- http://vsis-www.informatik.uni-hamburg.de/ergonomie/lesbarkeit.html
- http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Lesen.htm
- http://www.net-lexikon.de
- http://www.ideenreich.com/struktur/wahrnehmung_02.shtml