Wichtige Aspekte für die Gestaltung von Online-Texten

"Modernes" Lesen

Seit der Entwicklung des Buchdrucks und der Errichtung des ersten Druckbetriebs im Jahre 1445 durch Johannes Gensfleisch zur Laden, besser bekannt als Johann Gutenberg, hat sich bis heute einiges getan. Fast jegliche Form von Wissen und Information ist heutzutage irgendwo niedergeschrieben und gedruckt aufzufinden, und täglich wird die Menge an Lesestoff immer größer.

Mit der rasanten Entwicklung des Computers und insbesondere des Internets, hat sich auch die gesamte Art der Informationsaufbereitung und -darbietung weiterentwickelt und zum Teil grundlegend verändert. Mehrere Versuche, E-Books populär zu machen und damit die konventionellen Printmedien abzulösen sind zwar (bisher noch) gescheitert, aber es ist nicht zu leugnen, dass das Internet inzwischen einen wesentlichen Bestandteil in der heutigen Informationsgesellschaft darstellt. Mit einem täglich wachsenden Informationsangebot und einer immensen und ebenfalls stetig zunehmenden Vielfalt privater Homepages, wird das immer noch hauptsächlich auf Text basierende Internet eine der Hauptquellen für "modernes Lesen".

Allerdings gelten für das Internet andere gestalterische Grundlagen, quasi "Regeln", die zu beachten sind, wenn nun Texte für den Online-Auftritt aufbereitet werden sollen. Diese unterscheiden sich zum Teil grundlegend von den jahrelangen Erkenntnissen über Textgestaltung bei konventionellen Printmedien, und sollen im Folgenden ansatzweise genauer durchleuchtet werden.

Aufbereitung von Online-Texten: Wieso - und wie?

So manch einer mag der Verlockung erliegen, einen bereits bestehenden Text, der zuvor zum gewöhnlichen Druck gedacht war, einfach durch einen der zahlreichen HTML-Editoren zu jagen, und das Ergebnis stolz (ob berechtigterweise oder nicht, sei dahingestellt!) im Netz zu präsentieren.

Andere erliegen leicht dem "Effekte-Rausch", also der Gefahr, von diesem neuen Medium so begeistert zu sein, und möglichst alles Machbare auszureizen. Plötzlich nicht mehr an statische Inhalte und bloßen schwarz-weiß Druck gebunden, verkünstelt sich so mancher mit allem, was nur irgendwie geht, Hauptsache es ist laut und bunt und blinkt! Doch leider kann dieser "künstlerische Wahn" manchmal ganz Gegenteilige folgen haben und den Besucher eher abschrecken. Ein deutliches Beispiel hierfür ist auf dieser Seite zu sehen: http://rasputin.de/CF/Jugend/haupt.html (Hier sei lediglich auf die Aufmachung hingewiesen, das inhaltliche sei jedem Selbst zur Beurteilung überlassen!)

Worauf ist also zu achten, wenn man einen Text für einen Online-Auftritt und damit für das Lesen am Bildschirm aufbereiten möchte? Wo ist der Unterschied zum gedruckten Text? Sowohl die physiologischen Vorgänge als auch die psychologischen Aspekte spielen hier eine Rolle. (Die Nicht-Linearität bei Hypertext-Dokumenten und die daraus resultierenden Strukturierungsregeln seien in dieser Arbeit außer Acht gelassen!)

Schrift: "Serif" VS. "Sans Serif"

Mit sogenannten Serifen werden die kleinen horizontalen Striche am oberen und unteren Buchstabenrand bezeichnet. Diese sollen das Auge beim Lesen über die Zeilen führen und damit das Lesen erleichtern, also zu einer besseren Lesbarkeit führen. Im Laufe der Zeit hat es sich deswegen also durchgesetzt, für den Druck längerer Texte, Magazine und Bücher Schriften mit Serifen zu verwenden; beispielsweise Times New Roman oder Bookman.

Aufgrund dieser Erkenntnis wurde angenommen, dass diese Regel für jedes Medium gleichermaßen gelten würde, und somit werden diese Serifen-Schriften also auch im Onlinebereich oft und viel eingesetzt. Dabei wurde jedoch übersehen, dass der Computer-Monitor ein grundlegendes anderes Medium als bedrucktes Papier ist und hier also auch andere "Regeln" gelten.

Dr. Ralph F. Wilson, E-Commerce Consultant, spricht von einer Auflösung von etwa 72 dpi (dots per inch) am Bildschirm, im Vergleich zu 180 dpi, 300 dpi oder noch höhere Werte für Druckmedien. Ausführliche Ergebnisse seiner Umfrage über die Lesbarkeit von verschiedenen Schriftarten und -größen am Bildschirm sind in seinem Artikel HTML E-Mail: Text Font Readability Study nachzulesen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, das die geringere Auflösung am Monitor die sonst hilfreichen Serifen zu eher störenden Artefakten verkommen lassen kann, anstatt die Führung des Auges zu unterstützen.

Farbliche Gestaltung

Mit der Präsentation von Texten am Computer öffnen sich neue Möglichkeiten der farblichen Gestaltung, auf die zuvor wegen hoher Druckkosten verzichtet werden musste. Sowohl Textfarbe als auch Hintergründe können (fast) vollkommen frei gewählt werden. Allerdings sollte von dieser Möglichkeit nur bedingt gebrauch gemacht werden und stets darauf geachtet werden, dass ein genügend hoher Kontrast zwischen Text und Hintergrund gewährleistet bleibt.

Das bewährte Schema "schwarze Schrift auf weißem Grund" ist für die Lesbarkeit durchaus auch in Online-Präsentationen anzuraten. Gelbe und grüne Schrift auf hellem, sowie blaue oder rote Schrift auf dunklem Hintergrund sind zu vermeiden, da diese geringen Kontraste schnell ermüdend für das Auge wirken und den Leser anstrengen und damit leicht "vertreiben" können.

Es handelt sich also nicht nur um ein ästhetisches Problem, sondern kann tatsächlich ein Benutzbarkeitsproblem darstellen. Beispielsweise Kombinationen wie Grün auf Lila sind zu vermeiden, da das menschliche Auge unfähig ist, Farben unterschiedlicher Wellenlänge gleichzeitig zu fokussieren und dadurch eine scheinbar unruhiges Bild entsteht.

Lesefluss

Um die Lesbarkeit am Monitor bewerten zu können, stellt sich die Frage, wie lesen überhaupt "funktioniert". In ihrem Artikel Die Lesbarkeit von Bildschirmtexten beschreibt Karin Büchner einige interessante Erkenntnisse zum Thema.

Während schwächere Leser eher zum Buchstabieren neigen, erkennen geübte Leser Wortbilder. "Beim Lesevorgang werden lange Wörter in diesen Millimetersprüngen gescannt und im Kurzzeitgedächtnis zusammengesetzt. [...] Je mehr Begriffe bereits im Gedächtnis vorhanden sind, umso schneller und flüssiger kann der Mensch lesen. Über die Lesbarkeit von Text entscheidet demnach die Wortwahl und die Deutlichkeit von Wortbildern." Zur Veranschaulichung hier zwei Beispiele:

"LE SENWI EGE HTDAS - WASTY POGR A FIEK ANN"

"Aoccdrnig to a rscheearch at Cmabrigde Uinervtisy, it deosn't mttaer in waht oredr the ltteers in a wrod are, the olny iprmoetnt tihng is taht the frist and lsat ltteer be at the rghit pclae. The rset can be a toatl mses and you can sitll raed it wouthit porbelm. Tihs is bcuseae the huamn mnid deos not raed ervey lteter by istlef, but the wrod as a wlohe."

Dokumentstruktur

In zwei weiteren kurzen Artikeln stellt Jakob Nielsen einige interessante Überlegungen zum Thema "Lesen im Netz" an (How Users Read on the Web und Why Web Users Scan Instead of Read). Die Frage, wie Benutzer im Netz lesen, beantwortet er schlicht: "They don't." Der Leser überfliegt ("scannt") die Seite nur, und es ist wichtig, ihn dabei bereits die Information finden zu lassen, die er sucht, um ihn nicht gleich wieder zu verlieren, da das Angebot an anderen Seiten groß und schnell zu erreichen ist.

Mehr als im Druck ist also bei Online-Texten darauf zu achten, kurze Dokumente und feiner gegliederte Textpassagen zu erstellen. Lange Textblöcke schrecken den Benutzer leicht ab, da sich dieser am Rechner schnell von zuviel Information erschlagen fühlt. Eine Unterteilung der Information in kleinere Abschnitte und eine übersichtliche Struktur sind unabdinglich, damit nicht nur das Dokument, sondern auch noch die richtige Stelle in selbigem wiedergefunden werden muss. Da der Nutzer hier keine "Merker" oder "Markierungen" machen kann, ist es wichtig, ihm zu ermöglichen, Informationen schnell zu erhalten und sich im Text zurechtzufinden.

Nicht immer kann auf längere Texte verzichtet werden: Werden Informationen zu weit zerstückelt du auf zu viele Abschnitte oder gar Seitenaufgeteilt, besteht die Gefahr, dass kein ordentlicher Lesefluss mehr gewährleistet werden kann. Dann würde der Benutzer durch zu langes "Herumklicken" den Gesamtzusammenhang und den Überblick verlieren.

Sollte also ein längerer Text unvermeidbar sein, so ist es empfehlenswert, einige einfach Regeln zu beachten, um das Lesen und Verstehen des Textes leicht zu ermöglichen. Die wichtigsten Empfehlungen hierbei lauten: "Lange Seiten mit einer Übersicht versehen" und "Interessantes nach oben". Weiter Empfehlungen können der Seite 10 wichtige Leitlinien für die Gestaltung von ergonomischen WWW-Informationssystemen unter dem Punkt 4: Seitenlänge entnommen werden.

Fazit

Alles in allem wird also deutlich, dass es gravierende Unterschiede bei der Aufbereitung von Texten für den Druck oder für das Lesen am Bildschirm, insbesondere das Internet gibt. Für Online-Texte werden dem Autor viele neue Möglichkeiten geboten, um seine Texte interessanter zu gestalten. Allerdings ist zu beachten, dass neue Möglichkeiten auch immer neue Gefahren mit sich bringen. So muss also darauf geachtet werden, dass die Lesbarkeit nicht auf der Strecke bleibt. Es bleibt allerdings noch die Frage offen, ob das Online-Lesen das Lesen gedruckter Medien je ganz ersetzen können wird - oder soll?

Quellen und weiterführende Literatur zum Thema

http://vsis-www.informatik.uni-hamburg.de/ergonomie/lesbarkeit.html http://vsis-www.informatik.uni-hamburg.de/ergonomie/laenge.html http://www.ideenreich.com/struktur/wahrnehmung_02.shtml http://www.wilsonweb.com/wmt6/html-email-fonts.htm http://www.useit.com/alertbox/9710a.html http://www.useit.com/alertbox/whyscanning.html http://www.janaszek.de/t/gutelesbarkeit.htm http://www.timetabler.com/reading.html http://www.ncrel.org/sdrs/areas/stw_esys/str_read.htm http://www.beta-research.com/121296abstract.html http://wdvl.internet.com/Internet/Readability/index.html http://www.so.ch/de/data/pdf/fd/fpamt/somiha/q5_effektiv_lesen.pdf