Kriterien für die Lesbarkeit von Texten

Mathias Teuber

Dieser Text soll nötiges Grundwissen vermitteln um sich mit der Lesbarkeit von Texten - auch im Hinblick auf digitale Medien – kritisch auseinanderzusetzen, diese zu werten und im Hinblick auf dessen erwünschte Wirkung zu verbessern.

Für den Prozess und den Erfolg der Textbasierten Informationsaufnahme sind viele Aspekte von Bedeutung. Die Lesbarkeit bildet hier die unumstößliche Basis, denn Intention bzw. Ziel jeder vorausgegangenen Textbasierten Informationsverbreitung und deren Aufbereitung ist das Erreichen möglichst vieler Leserhorizonte und die erfolgreiche Vermittlung von Gedankengut und Informationen. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden wenn die Vorraussetzung der Lesbarkeit eines Textes nicht in einem Mindestmaß erfüllt ist.

Zunächst möchte ich kurz auf die allgemeine Fähigkeit zur Aufnahme des Infomationsgehaltes von Texten - dem Lesen - zu sprechen kommen. Das Lesen von Text ist erst dann möglich, wenn der Leser den Kode, bzw. die Semantik also die Bedeutung der Zeichen kennt. Lesen muß erlernt und geübt werden. Hierfür unterscheidet die Psychologie verschiedene Ebenen in denen kognitive Prozesse stattfinden:

Ein Textverständnis auf BUCHSTABENEBENE oder Phonemebene setzt vorraus, dass der Leser eines Textes die Zeichen mit denen der Informationsgehalt kodiert ist kennt und sich der Sprachlaute (Phoneme) bewußt ist. Für die WORTEBENE gilt es zu wissen, dass und wie Wörter aus Phonemen zusammengesetzt sind und deren Bedeutung zu erfassen. Dieses Wissen nennt man phonologische Bewusstheit - die kognitive Verknüpfung von Zeichen mit bestimmten Lauten und die Fähigkeit diese zu Wörtern zu kombinieren oder Wörter in Phoneme zu zerlegen. Auf beide Ebenen stützt sich der Vorgang der phonologischen Rekodierung, welcher meist in der Vorschule oder in den ersten Schuljahren erlernt wird. Phonologischen Rekodierung bezeichnet die Übersetzung von Graphem (Buchstabe, Buchstabenkombination) in Phonem und die darauffolgende Synthese der Phoneme zu einem Wort. Zum Beispiel: SPATZ = [ /es/ + /pe/ = /schp/ ] + /a/ + /te/ + /tz/ = „Spatz“. Unter Satzintegration versteht man die Kombination der dekodierten und interpretierten Wörter zu einem sinnvollen Satz. Dies geschieht auf der SATZEBENE. Ferner werden TEXTEBENE, als das Verstehen von Textpassagen und MEATEBENE als die Fähigkeit der Bewertung des Gelesenen unterschieden.

Das Lesen von Text an sich findet durch Fixationen statt. Diese dauern durchschnittlich etwa 250 ms. Das heißt, das Auge springt über den Text und bleibt etwa alle 9 Buchstaben fixiert (abhängig vom Buchstabenabstand). Da es auf der Netzhaut einen Punkt des schärfsten Sehens gibt, die Natzhautgrube, kommt es dazu, dass wir beim Fixieren nur 6 Buchstaben effektiv schaf sehen können. Das Umfeld, welches nur unscharf wahrgenommen werden kann wird von dem Gehirn aus dem Zusammenhang entwickelt. Die Sprünge von einer Fixation zur Nächsten werden Sakkaden genannt und dauern ca. 30 ms. Während der Sakkaden findet keine Informationsaufnahme statt. Als Regressionen bezeichnet man Rückwärtssprünge die man macht, wenn man den Text zwar lesen aber nicht verstehen konnte.

Die Lesegeschwindigkeit von ca. 200-300 Wörtern (mit obigen Werten) kann auf bis zu 800-900 Wörtern pro Minute gesteigert werden. Verkürzung der Fixationszeiten und Vergrösserung der Sakkadenlängen kann man Trainieren zum Beispiel durch unterdrücken des inneren (subvokalen) Mitsprechens.

Dies sind die Grundfähigkeiten, welche der Leser eines Textes beherrschen muß. Die Performanz der Informationsaufnahme durch den Leser kann nun seitens des Textverfassers deutlich beeinflußt werden. Die Typografie befasst sich mit diesem Prozess. Durch gestalterische Mittel kann erstens das Interesse des Lesers geweckt werden und als zweites, wichtigeres, kann der Lesevorgang erleichtert werden – die Lesbarkeit gesteigert werden.

Texte haben unterschiedlichste Intentionen. Es gibt kurze oder lange Texte, Nachrichtentexte, Zeitungstexte, literarische Texte, wissenschaftliche Texte, werbende Texte, Hypertext – jede Form hat eigene Kriterien die Lesbarkeit zu steigern, daher ist es nicht ratsam klare, durchgehende Regelungen für den Aufbau und die Organisation von Texten aufzustellen. Im folgenden seien einige Grundbegriffe der Typografie erklärt:

Schrift Jede Schrift hat einen ganz bestimmten eigenen Charakter, welcher unbedingt zum Inhalt des Textes passen sollte. Mit dem Mittel der Schrift kann von dem Verfasser ganz gezielt eine bestimmte Wirkung erzeugt werden. Die Schrift kann auffällig markant sein und eine Signalfunktion haben oder einfach und diskret um komplexe Sachverhalte sachlich darzustellen. Zur Beschreibung verschiedener Schriftarten wurden verschiedene typografische Fachbegriffe eingeführt. Mittellänge, oder auch x-Höhe, beschreibt die Höhe eines Kleinbuchstaben (z.B. x, n, o). Oberlänge/Unterlänge geben den Betrag an um welchen ein größerer/weiter herunterreichender Buchstabe (z.B. l, b oder g, j) einen Buchstaben der nur die x-Höhe abdeckt überragt/unterschreitet. Die Grundlinie (Schriftlinie) ist eine imaginäre Linie, an die alle Buchstaben mit der unteren Mittellinie ausgerichtet sind. Serifen sind feine Abschlussstriche (Kopf-, Fuß- und Dachstriche). Man sollte in einem Text nicht mehr als zwei bis maximal drei verschiedene Schriften verwenden. Mehr hätte inkonsistentes Aussehen der Textseite, speziell der Bildschirmseite zur Folge.

Schriftfamilien Es gibt unendlich viele Unterschiedungen und Klassifizierungen von Schriften. Hauptsächlich sind sie aufgrund äußerlicher Merkmale in folgende Schriftfamilien unterteilt: Antiqua (Schriften mit Serifen; Ursprung in der Antike), Grotesk (serifenlose Schriften; sachlich, kühl), Fraktur (gebrochene Schriften; hauptsächlich in Zeitungsüberschriften zu finden) und Schreibschrift (geschwungene Schriften mit persönlichem Touch; hauptsächlich für Werbezwecke). Ausschließlich zur Verwendung als Bildschirmschriften wurden die Serifenschrift Georgia und die serifenlose Schrift Verdana entwickelt. Bei diesen Schriften wurden die Buchstabenformen so optimiert, dass sie ideal in das grobe Bildpunkt-Raster eines Monitors passen.

Schriftgrösse Die Maßeinheit für Schriftgrössen ist Punkt. 1 Punkt entspricht 0,3759 mm. Sie können unterschieden werden in Konsultationsgrößen (kleine Schriftgrade bis 8 Punkt; Lexika, Wörterbücher), Lesegrössen (8 bis 12 Punkt; normaler Text), Schaugrössen (bis 48 Punkt; Überschriften) und Plakatschriften (über 48 Punkt). Für Bildschirmtexte sollte man größere Schriften verwenden als beim Buchdruck (mindestens 12 Punkt). Bei verschieden Systemtypen kann es zu unterschiedlichen Darstellungen führen und damit kann zu klein gewählte Schrift unleserlich werden. Ein weiterer Grund eine ausreichend grosse Schrift für Computertexte zu wählen ist die geringe Zeichenauflösung des Bildschirms (allgemein 72 dpi – Punkte pro Inch – im Gegensatz zu 300 dpi und mehr beim Druck).

Zeilenlänge Als Anhaltspunkt sollte ein Wert von etwa acht bis zwölf Worten pro Zeile dienen. Die Zeilenlänge sollte nicht zu lang gewählt werden, damit das Auge mühelos die nächste Zeile wiederfinden kann. Es gilt Textspalten sollten lieber zu klein als zu breit gestaltet werden. Gerade bei Webseiten ergibt sich die Zeilenlänge aus der im Browser eingestellten Schriftgrösse.

Zeilenabstand Der Zeilenabstand ist auch sehr wichtig für die Lesbarkeit eines Textes. Wird er zu groß gewählt kann es sein, dass der Leser den Text nicht mehr als zusammenhängend erkennen kann; ein zu eng gewählter Zeilenabstand kann dazu führen, dass Texte schwer zu lesen sind und die Schrift als zusammengrängt empfunden wird. Eineinhalb bis zweizeiliger Abstand empfiehlt sich für Bildschirmtexte.

Absätze Ein Text sollte durch Absätze sinnvoll gegliedert werden. Dies erlaubt eine bessere Übersicht und Einteilung in Sinnzusammenhänge.

Einzug Mit Einzügen kann man Absätze lesefreundlicher gestalten und Optik und Struktur verschönern.

Ausrichtung Ein starkes Mittel zur Gliederung von Texten und wichtig für das Erscheinungsbild und die Lesbarkeit von Texten. Text kann linksbündig, rechtsbündig und zentriert ausgerichtet werden und in Flattersatz und Blocksatz unterteilt werden. Zentrierte Ausrichtung empfiehlt sich nur für Überschriften. Normaler Text sollte linksgerichtet sein, da unser westlicher Kulturkreis das Lesen von links nach rechts gewohnt ist und die Zeilenanfänge bei linksbündiger Ausrichtung leichter zu finden sind. Bei Flattersatz sind die Wortabstände stets gleich und es gibt keine Trennungen am Bildschirmrand. Aufgrund dieser Gleichmäßigkeiten wird Flattersatz für Bildschirmanwendungen empfohlen. Optisch ansprechender, und Übersichtlicher bei geringerer Zeilenlänge ist Blocksatz.

Farbe Farbe ist ein sehr aussagekräftiges Stilelement bei der Schriftgestaltung, sollte aber nur mit Vorsicht verwendet werden, da zu viel Farbe sich häufig schlecht auf die Übersichtlichkeit auswirkt und bei unüberlegter Auswahl sehr unprofessionell wirken kann.

Kursiv, Fett, Unterstreichung Dieses besondere Mittel zur Hervorhebung von Textpassagen ist in analoger Schriftform (hauptsächlich kursiv) häufig vertreten, beispielsweise um Dialoge oder Erklärungen zu kennzeichnen. Bei Bildschirmtexten sollte dieses Stilmittel eher vermieden werden. Kursive Schrift könnte aufgrund der geringen Bildschirmauflösung evtl. nicht korrekt dargestellt werden und Fettbuchstaben könnten ineinander übergehen. Unterstreichungen sollten auf Bildschirmtexten gäzlichst vermieden werden, da im Web Hyperlinks durch Unterstreichung gekennzeichnet werden und es so zu Verwechslungen kommen könnte. Unterstreichung als Stilmittel ist ein Relikt aus der Schreibmaschinenzeit und sind mit aufkommen der computerbasierten Textverarbeitung aus der Mode gekommen. Zur Hervorhebung einzelner Wörter oder kurzer Textpassagen empfiehlt sich der Einsatz von Großbuchstaben (Versalien). Großbuchstaben mit Kapitälchen sind besser zu lesen als Großbuchstaben ohne.

Trennungen Trennungen sollten bei Namen, Überschriften aller Art, Zeilen von Inhaltsverzeichnissen, Bildunterschriften, Daten und Mengenangaben vermieden werden. Bei Blocksatz sollte darauf geachtet werden, daß nicht mehr als drei bis vier Trennungen in aufeinanderfolgenden Zeilen auftreten. Dies wirkt sich schadhaft aus die Lesbarkeit aus.

Schriftabstufungen Deutliche Grössenabstufungen erleichtern dem Leser die Erfassung der Struktur des Textes. Eine klare Unterteilung in Titel, Untertitel und Grundtext, mit einer Abstufung von 18-20 Punkt (Titel) über 13 Punkt (Untertitel) bis hin zu 10 Punkt (Grundtext) hat sich für Nachrichtentexte durchgesetzt.

Animierte Elemente Animierte Schriftelemente und blinkender Text sollten nur sehr selten bis gar nicht verwendet werden. Forschungen im Nutzungsverhalten von Internetnutzern haben gezeigt, dass die Personen blinkende Elemente leicht mit Werbebannern verwechseln und daher sofort ignorieren.

In all diesen Fällen sollte man sich auf eine allgemein anerkannte Regel aus vielen Bereichen der Gestaltung und des Designs berufen: Weniger ist oftmals mehr. Lieber nur einzelne, wohlplatzierte Hervorhebungen zur Akzentuierung verwenden um den Leser nicht zu überlasten und eine durchgängige Struktur zu erhalten.

Wie bereits erwähnt kann es sich bei den hier aufgeführten Regeln zur Gestaltung von Texten nur um Richtlinien handeln. Jenachdem welche Funktion der Text erfüllen soll kann es dringend erforderlich sein sich gestalterischer Mittel zu bedienen die aus dem Rahmen fallen um beispielsweise Aufmerksamkeit zu erzeugen, Interesse zu wecken, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen oder zu unterhalten. Lesen soll schliesslich auch spass machen und Informationen sollen leicht vermittelt werden.

Quellen

Wissenschaftliche Texte lesen, verstehen und auswerten

Pädagogische Psychologie I

Internationales Rahmenkonzept

Durch die Texte zappen... Neue Medien fordern Lesekompetenz

Kein Bild ohne Legende!

Lesen – Basiskompetenz in der Mediengesellschaft

Methoden zur Analyse der Augenbewegung

lesen und schreiben lernen

Eine Forderung ist Lesbarkeit

Typografie für digitale Medien

Lesen II