Scheuerer Johannes

Der menschliche Lesevorgang und Lesbarkeit von Schriften

- Bearbeitung des 1.MMI-Aufsatzes: Online Lesen -

Heutzutage besitzt annähernd jeder Haushalt in Deutschland einen PC, einen Laptop, ein Handy oder andere elektronische Geräte, die es ermöglichen das Medium Internet zu nutzen. Somit arbeiten täglich eine Vielzahl an Menschen mit Hilfe des WWW. Waren werden verkauft, Kontakte via Chat geknüpft, allerlei nützliche und noch öfter unnütze Informationen werden aus dem Netz geholt, um nur eine kleine Auswahl der Möglichkeiten zu geben. Jedoch bevor man irgendwelche Aktionen im Internet ausführen kann, muss man lesen, eben "online lesen". Das Lesen selbst aber ist nicht derart simpel wie man meinen könnte.

Das Grundhandwerkszeug bekommt jeder von uns, zumindest in Deutschland in der Grundschule beigebracht. Damit ist es dann aber auch schon vorbei mit der Ausbildung der Lesefertigkeit. Wer später Probleme damit hat, gilt als dumm und ungebildet. Doch die heutige Gesellschaft mit einem immer größeren Informationsüberschuss fordert "höhere" Fertigkeiten des Lesens. Geistige Fertigkeiten. Man muss intelligent lesen, um Wichtiges schnell von Unwichtigem zu unterscheiden; Information intelligent sammeln und aufbereiten, um später damit arbeiten zu können. Sei es zur Prüfungsvorbereitung, sei es zum Verfassen von Texten. Beispielsweise findet sich in der PISA Studie (S.23) folgende Aussage: "Fähigkeit des Einzelnen, schriftliche Informationen so zu nutzen, dass diese seinen jeweiligen Zielen dienen, sowie die entsprechende Fähigkeit moderner komplexer Gesellschaften, schriftliche Informationen so zu nutzen, dass ihre gute Funktionsweise gewährleistet ist." Die Studie fordert dementsprechend von den Prüflingen, dass sie aus einem verstandenen Text die Kernaussage herausfiltern, diesen interpretieren und den Inhalt bewerten können.
Ob ein Text schneller verstanden wird als ein anderer liegt jedoch nicht nur am Leser, sondern insbesondere auch an der Aufmachung und Präsentation des Inhalts. Um eine gute Darstellung für einen Text kreieren zu können, ist es notwendig zu verstehen was im Menschen vorgeht, während er liest.

Der Lesevorgang beim Menschen

Es gibt drei Aktivitäten der Augenbewegungsmuster beim Lesen einer Wortsprache: Die Fixationen, die Sakkaden, und die Regressionen.
Fixationen ist das Ruhen des Auges auf einem Punkt, während man liest (lat. Festigung, Fixierung). Fixationen sind im Vergleich zu den Sakkaden und den Regressionen der wesentliche, visuelle Prozess beim Lesen einer Schrift. Nur bei den Fixationen kommt es zu einer Informationsaufnahme. Fixationen nehmen rund 90 bis 95 Prozent der Gesamtlesezeit ein. Bei der überwiegenden Mehrheit der Fixationen handelt es sich um Inhaltswörter, also Adjektive, Adverbien, Nomen und Verben. Häufig vorkommende Wörter werden kürzer und weniger fixiert als weniger häufige.
Nun zu den Sakkaden. Bei diesen handelt es sich um Vorwärtssprünge des Auges zu einem folgenden Textabschnitt während man den Text liest (lat. ruck-, stoßartig).Sakkaden sind im Vergleich zu den Fixationen ein relativ kurzer visueller Prozess beim Lesen einer Schrift. Eine Informationsaufnahme während des Sakkadenprozesses findet nicht statt, sondern nur während der Fixationen. Sakkaden können, je nach Lesekompetenz, eine unterschiedliche Länge besitzen. Acht bis neun Buchstaben von einer Fixation zur nächsten werden in der Leseforschung als ein Normalwert angesehen. Die Sakkaden werden bei zunehmender Textschwierigkeit kürzer, während die Fixationen und Regressionen merklich zunehmen. Somit springen schnelle Leser "weiter", d.h. sie sind nicht deshalb schneller, weil sie Wort für Wort schneller erkennen, sondern weil sie gar nicht erst Wort für Wort lesen.
Die dritte Aktivität der Augenbewegungsmuster sind die Regressionen, die sog. Rückwärtssprünge des Auges zu einem vorangegangenen Textabschnitt; auch Regressionssakkaden genannt (lat. Wiederaufnahme, langsamer Rückzug). Regressionen stellen im Vergleich zu den Fixationen wiederum einen relativ kurzer visueller Prozess beim Lesen dar. Und äquivalent zu den Sakkaden findet auch hier keine Informationsaufnahme während des Regressionsprozesses statt. Bei zunehmender Textschwierigkeit in Bezug auf Inhalt und Grammatik nimmt die Anzahl der Regressionen im Verhältnis zu den Fixationen zu, während die Sakkaden mengenmäßig und in ihrer Länge abnehmen.

Lesbarkeit von Schriften

Ausgehend von diesem Grundinformationen kann man nun daran gehen und untersuchen, ob es sich bei der Schrift die man gerade liest um einen "guten", d.h. typographisch ausgeklügelten Text handelt, der Sakkaden vermehrt und Regressionen vermindert auftreten lässt oder nicht. Diese "gute" Lesbarkeit eines sog. Mengentextes ist von mehreren Faktoren abhängig.

Grundschrift

Als erstes sei hierbei die Grundschrift genannt. In dieser wird die Schriftfamilie (z.B. Arial oder Courier New) definiert, welche in der Lage sein muss, eindeutig und schnell erfassbare Wortbilder zu erzeugen. Beispielsweise eignen sich für längere Texte besonders Serifenschriften, wie Times New Roman und MS Gothic. Serifen sind die häkchenartigen Enden an Buchstaben. Diese verbessern die Lesbarkeit, da die horizontalen Serifen das Auge lenken bzw. in der Zeile halten.
Innerhalb der Schriftfamilie wird nach Schriftschnitten ( auch Garnitur genannt) unterschieden. Die Standard-Schriftschnitte, die in fast jeder Schriftfamilie vorhanden sind, sind kursiv, fett und fettkursiv. Diese sollten bei Computerschriftarten als eigene Fonts vorliegen, da so befriedigendere Ergebnisse erzielt werden, als wenn in einem Textverarbeitungsprogramm die Standardschrift einfach auf bspw. "kursiv" gestellt wird. Zusätzlich dazu gibt es noch besondere Schnitte wie etwa Outline oder Schattiert.
Nach der Schriftfamilie wird der Schriftgrad festgelegt, der meist zwischen 8 und 13 Punkt liegt. Er wird in Abhängigkeit von Seitenformat, unterzubringender Textmenge und gewünschter optischer Wirkung, aber auch der Zielgruppe und des Gestaltungsanlasses ausgewählt.
Zur Grundschrift gehören noch die individuelle Zeilenbreite und der Zeilenabstand. Zu den letzten beiden ist allgemein zu sagen, dass ein Format niemals komplett mit Schrift gefüllt werden sollte, da zu viel Text erdrückend wirkt, Text mit viel Freiraum (Weißraum) wirkt hingegen eher großzügig. Damit ist die Grundschrift abgeschlossen und es geht zum nächsten Kriterium.

Satzqualität

Denn ebenso wie die Grundschrift, ist für gute Lesbarkeit auch die Satzqualität ausschlaggebend. Diese wiederum ist u.a. abhängig von der richtigen Laufweite und vom Wortabstand. Beide Eigenschaften müssen immer gemeinsam betrachtet werden. Wobei die Laufweite die relative Länge einer Schrift und der Wortabstand den Zwischenraum von Ende des Einen zum Anfang des nächsten Wortes darstellt. Die Laufweite ist durch den Buchstabenabstand bestimmt, der als der Abstand vom rechtesten Ende eines Buchstabens zum linksten Ende des Folgenden festgelegt ist.
Hier sind bereits die nächsten Fehler möglich, die zu einer schlechten Lesbarkeit führen können. Ist beispielsweise der Abstand zwischen zwei Wörtern zu groß, will das Auge unwillkürlich in die nächste Zeile abrutschen und muss vom Gehirn zurückgehalten werden, weil das Weiterlesen scheinbar keinen Sinn ergibt. Ist der Buchstabenabstand so, dass zwei Buchstaben zu weit voneinander entfernt sind, muss entschieden werden, ob das ein Wort ist oder zwei. Stehen die Buchstaben zu eng beieinander, so können sie miteinander verschmelzen - "r" und "n" scheinen ein "m" zu sein. Das alles geschieht für den Leser unbewusst, aber er ist in Wahrheit ein wenig abgelenkt. Fesselt ihn der Inhalt wenig, kann das ein Anhaltspunkt für ihn sein, das Lesen abzubrechen.

Layout

Wurde bei den bisher genannten Komponenten alles richtig gemacht, so ist gute Lesbarkeit noch immer nicht garantiert. Genauso kommt es auf das gesamte Layout an. Gegenstand des Layouts ist die Positionierung von Texten, Bildern, Fotos, Illustrationen, Logos, Symbolen etc. auf der Seite. Das Layout sollte spannungsreich, aber doch harmonisch sein. Zu spannungsreich wird das Layout in jedem Fall, wenn man den typischen Anfängerfehler macht, möglichst alle verfügbaren Schriften in einem Text zu benutzen.

Regeln für Typographie und Layout

Abschließend kann man einige allgemeine Regeln angeben, die einem beim Erstellen eines (Online-) Textes mit guter Typographie und eines guten Layouts helfen können:

Quellenverzeichnis

Weingarten, Rüdiger, 2000. Visuelle und phonologische Prozesse beim Lesen, Universität Osnabrück.
Dr.Quathamer, D. 2002, Über Arbeit-mit-Texten.de, besucht 13 Dez. 2003, http://www.arbeit-mit-texten.de/main/index.htm
Beinert,W. 2002-2003, Typolexikon : Das Lexikon der deutschen Typographie, besucht 13 Dez. 2003, http://www.typolexikon.de/
Janaszek, R. , Typographie, Layout & Schrift Online, besucht 13 Dez. 2003 , http://www.typo-info.de/